5. Eintrag: Der Brückenbau
Lucas baut ein Baumhaus – mit durchsichtigem Kuppeldach und Hängebrücken – und hält alles in seinem Bau-Tagebuch fest. Einmal im Monat dürfen wir mitlesen. Dies ist sein letzter Eintrag.
Liebes Bau-Tagebuch,
Flo, Sebastian und ich haben uns an die Hängebrücken gemacht. Die untere Brücke sollte den Baum, auf dem das Baumhaus sitzt, mit dem Nachbarbaum verbinden. Die obere Brücke den Nachbarbaum mit dem Baumhaus. Damit man zwischen den Bäumen wandern kann.
Komplettes Neuland für uns. Mal wieder. Und was soll ich sagen: Nach der Kuppelkrise hingen wir auch hier noch einmal in den Seilen – im wahrsten Sinne des Wortes.
Wir machten uns an die Arbeit, mit Anleitungen aus dem Internet und Tipps vom Fachmann eines Klettergartens in unserer Nachbarschaft. Kanthölzer für die Unterkonstruktion zuschneiden – kein Ding mehr für uns.
Seile einfädeln, Terrassendielen für die Gehfläche verschrauben, alles in den Baum hochziehen und ausrichten – nichts leichter als das. Was uns diesmal Zeit und Nerven geraubt hat, war der Handlauf der unteren Brücke. Dumm, wenn der zu niedrig ist, doppelt dumm, wenn man es erst merkt, wenn schon alles fertig und alle Schnüre gespannt sind. Lassen, wie es ist? Keine Option. Eine falsche Bewegung und schon liegt man unten.
Es war mal wieder an der Zeit für eine Pause, ein Mittagessen in zerknirschter Stimmung und am Ende eine vernichtende Erkenntnis: Die Handläufe der unteren Brücke mussten wieder gelöst werden, um sie fester spannen zu können. Das Problem: Die über Kreuz gespannten Sicherungsseile an den Seiten der Brücke waren dann zu kurz. Also: alle nochmal neu vermessen, neu zuschneiden. Ein halber Tag Arbeit für die Katz. Wir arbeiteten bis in die Nacht hinein. Aber es lohnte sich: Irgendwann hing die Brücke wieder stabil, die Handläufe waren auf der richtigen Höhe.
Frag mich nicht, woher wir die Energie genommen haben, aber wir haben bis mitten in der Nacht sogar noch die Treppe von der unteren zur oberen Brücke gebaut. Und dann endlich: Ab in die Federn. Die Nacht war kurz, unsere Augenringe tief: Wir wollten fertig werden. Und brachten in aller Frühe die kleine Treppe an, die vier Meter lange Treppe vom Boden zur unteren Brücke, die jetzt die blöde Leiter ersetzt. Und das war’s.
Im September sollte das Baumhaus fertig sein – das zumindest war der Plan. Jetzt ist Oktober und wir sind immer noch dran: wir müssen auf der Plattform eine Wand hochziehen, die Kuppel mit Polycarbonat ausfüllen und die Sicherheitsnetze um die Brücken anbringen – doch das Ende ist in Sicht. Und schon jetzt sieht das Baumhaus der Bau-Skizze von Anfang des Jahres sehr ähnlich. Das treibt uns an. Und wir sind stolz wie Bolle.
Der nächste und letzte Eintrag wird übrigens ein Video sein. Jendrikhält die Kamera drauf, wenn wir die letzten Arbeiten machen. So kommen wir schneller voran – und meine vierjährige Tochter kann schneller mit aufs Baumhaus. Sie quengelt schon seit Monaten, wann ich ihr endlich die Aussicht zeige. Jetzt kann ich sagen: Bald, ganz bald. Versprochen.
Lucas
Mehr zum Macher
Schlösser aus Scherben und Schotter, Monsterflöße, mobile DJ-Pulte, Lucas Wahl hat schon viel gesehen. Und im richtigen Moment auf den Auslöser gedrückt. Als Fotograf ist er seit den ersten Stunden für MACHER unterwegs. Mit dem Bau-Tagebuch zeigt er zum ersten Mal vor der Kamera, dass er selbst auch ein Macher ist.
Wie es zum Baumhaus-Bau kam …
Als kleiner Junge baute ich mit einem Freund ein Baumhaus: Es wurde von den Nachbarskindern abgefackelt. Der Stachel saß tief, doch seit Juni ist Schluss damit: Ich baue an einem neuen Baumhaus, in jeglicher Hinsicht fernab vom Schema F. Schon der Baum, der es trägt, ist gigantisch: 25 Meter hoch. Es könnte keinen besseren geben für mein Projekt.
Text: Erzählt von Esther Acason | Aufmacher: STYMKY © Timm Paulick |
Fotos: Florian Manz, Julius Schrank, Sebastian Heidelberger, Lucas Wahl