Auf Holzfühlung
In der Flamenco-Hochburg Córdoba fertigt José Rodríguez Peña in penibler Handarbeit Gitarren aus uraltem Holz. Ein Werkstattbesuch.
„Das Geheimnis ist das richtige Holz“, erklärt der Meister, während er die Decke behutsam auf die Werkbank legt, „in ihm lebt die Seele der Gitarre.“ Für Böden und Zargen, die Seitenteile seiner Flamenco-Gitarren, verwendet er Palisander oder Zypresse, für die Decke fast immer Alpenfichte. Ihr Holz ist elastisch und widerstandskräftig zugleich, daher klingt es besonders gut. Und es entwickelt sich weiter. „Je häufiger man spielt, desto voller und differenzierter der Klang.“ Klassikgitarren baut er auch aus Zedernholz – für Musiker, die ein Instrument brauchen, dessen klangliche Eigenschaften konstant sind.
Die Decke hat er aus zwei gespiegelten Brettern zusammengeleimt und per Hand auf 2,5 Millimeter zugehobelt. Etwa ein halber Millimeter fehlt noch. José greift zum Putzhobel. Die Decke überträgt die Schwingungen und ist so entscheidend für den Klang. Am Rand muss sie eine Winzigkeit dünner sein als in der Mitte. Mit regelmäßigen, ausladenden Bewegungen fährt der Meister übers Holz, danach nimmt er Schleifpapier zur Hand. Maschinen verwendet er nur, wenn es nicht anders geht. „So schönes Holz verdient es doch, mit der Hand bearbeitet zu werden“, sagt José. Die engen Jahresringe auf der hellen Platte verraten, dass die Alpenfichte langsam und regelmäßig gewachsen ist. Geschlagen wurde sie in Mittenwald, vor etwa 80 Jahren. „Hölzer für Instrumentenbau sollten mindestens 20 Jahre trocknen“, erklärt José weiter. Er selbst verwendet keines, das jünger ist als 70 Jahre. „So kann ich garantieren, dass das Holz wirklich ganz langsam und regelmäßig getrocknet ist – das ist klangentscheidend.“
José legt das Werkzeug für einen Augenblick zur Seite und holt einen armdicken Ebenholzbalken unter seinem Arbeitstisch hervor. Am Anschnitt glänzt rötlich etwas, das aussieht wie Harz: Überreste eines Klebstoffs, der bereits im Mittelalter verwendet wurde. Der Balken stammt aus dem 12. Jahrhundert und hielt vermutlich einst ein Altarbild. Irgendwann will er daraus einen Gitarrenhals schnitzen. Oder ein Griffbrett. Der Deckel einer alten Zederntruhe, der Balken eines Stadthauses, das schon lange nicht mehr steht: Dieser Mann kennt die Geschichte jedes Holzstücks in seiner Werkstatt.
In einer Schublade seines Ateliers liegt ein dickes Spiralheft, in das der Meister jedes Instrument, das sein Atelier verlässt, einträgt. Mit einem Foto, mit Notizen zu Bauart, Entstehungsgeschichte, Verkaufsdatum und Besitzer. Natürlich ist er stolz auf sein Lebenswerk, vor allem aber dankbar. Für die Geduld, die ihn sein Beruf gelehrt hat, und für die Erkenntnis, dass der Weg nie zu Ende ist. „Die perfekte Gitarre“, sagt José und faltet sorgfältig die blaue Arbeitsschürze zusammen, „das ist immer die nächste.“
Text: Julia Macher | Fotos: Bernd Jonkmanns