Die neue Mauer in seinem grünen Paradies, das nach einem fernen Land aussieht und so gar nicht nach Thüringen, droht zu fallen, kaum dass sie steht: Sechs Meter breit und drei Meter hoch hat Klaus Frank aus Erfurt im vergangenen Herbst flache Kisten versetzt aufeinandergestapelt, mit Vliesfolie ausgekleidet, Erde eingefüllt, das Ganze gewässert – das Gerüst für einen vertikalen Garten. Einmal bepflanzt, würde dahinter der Sichtschutz, den der Nachbar gebaut hat, verschwinden. Doch dann fällt Klaus auf, dass sich die Kisten am Boden unter der Last durchbiegen: „Das war insgesamt zu schwer, ich musste alles wieder abreißen und noch mal bauen. So ist das eben, wenn man Neues ausprobiert.“

Klaus beim Bau seines vertikalen Gartens.
Klaus beim Bau seines vertikalen Gartens.

Zweiter Anlauf: Diesmal besorgt Klaus sich Schwerlastregale aus Eisen. „Die gibt’s günstig“, sagt er, mit Böden, auf denen er jeweils fünf Reihen stapeln kann. Denn er nimmt die Kisten, in denen die Franks immer die Champignons für ihr Restaurant geliefert bekommen. Insgesamt 15 Kisten hoch, versetzt aufgetürmt, wächst die Mauer – und diesmal hält sie.

Klaus Frank

Nur die Gräser, die Klaus noch im November neben hängenden Erdbeerpflanzen, Funkien und Farnen in die Kisten setzt, haben den Winter nicht überstanden. Dafür wird Klaus in diesen Tagen Ersatz finden, um in seinem üppigen balinesischen Garten mit viel Blattgrün, Teichen, Wasserläufen, Feuerschalen und Liege- und Sitzflächen unter getrockneten Palmblättern die derzeit letzte Lücke zu schließen. Schon bald wird sich bestimmt eine neue auftun, denn: „Ich mache nicht, um es zu haben“, sagt der 63-Jährige. „Ich mache, um es zu machen!“

Bereits kurz nach der deutschen Einheit eröffnen Klaus und Sabine, der Nachrichtentechniker und die Schuhdesignerin, im Jahr 1991 eines der ersten italienischen Restaurants in Erfurt – zunächst mithilfe eines versierten Kochs. Es wird sofort ein Erfolg. Im Winter 1992 geht das Paar auf Asienrundreise, besucht Bali, verliebt sich in die üppige Natur dort, in den entspannten Lebensstil. Zehn Jahre lang kehren Sabine und Klaus jeden Winter zurück, schon 1994 aber fangen sie an, sich die tropische indonesische Insel nach Hause ins gemäßigte Klima zu holen.

So entsteht am nordwestlichen Rand von Erfurt, im Stadtteil Gispersleben, auf einem 800 Quadratmeter großen ehemaligen Kleingartengrundstück ein exotisches Paradies. Zunächst musste der alte Garten weichen. „Wir haben alles rausgerissen“, erinnert sich Klaus, „die Baugenehmigung für das private Haus hatten wir zwar schon, aber wir haben erst mal mit unserem riesengroßen Seerosenteich angefangen.“ Wie später den Schwimmteich im hinteren Teil des Grundstücks hebt Klaus das Erdreich von Hand aus, kleidet das Loch mit einer Folie aus. Der Seerosenteich ist das Herz des Grundstücks, er fasst 200 Kubikmeter Wasser, kleine Brücken führen darüber hinweg, unter ihnen ziehen Kois ihre Bahnen. „Und Goldfische, die wir nie eingesetzt haben“, erzählt Klaus. Vermutlich haben Tiere den Goldfisch-Laich mitgebracht, vielleicht der Frosch, der schon einzog, als der Teich kaum befüllt war. Oder vielleicht die Enten, von denen ein Pärchen seit Jahren hier seine Jungen großzieht.

Der Seerosenteich mit 200 Kubikmeter Wasser steht im Zentrum des Gartens.
Der Seerosenteich fasst 200 Kubikmeter Wasser und bildet das Herz des Gartens.

Den Rand des Teichs hat Klaus mit Moos gesäumt, seiner absoluten Lieblingspflanze. „Ich mag ihre unglaublich satte Farbe“, sagt er. Es gibt Moosbilder im Haus, Moos kleidet einen Teil der Fassade, und wie Kugelmoos geschnittene Buchsbäume stehen vor dem Hauseingang. Die Kästen in seinem vertikalen Garten hat er ebenfalls mit Moos verkleidet.

Grüner geht es kaum: Auch die Hausfassade ist mit Moos bewachsen.
Grüner geht es kaum: Auch die Hausfassade ist mit Moos bewachsen.

Neben den winzigen Moospflanzen schätzt Klaus schöne große Blätter wie die des Blauglockenbaums, seines Lieblingsbaums, der im Herbst sämtliches Laub an nur einem Tag abwirft. Die Exemplare rund ums Haus stutzt er ebenso regelmäßig wie die Ginkgos, damit sie, ähnlich wie Bonsais, eine fülligere Krone ausbilden. „Für mich kann es nicht grün genug sein“, grinst Klaus, deshalb darf außer den Seerosen im Garten nichts blühen, um den friedvollen Gesamteindruck aus grünen Schattierungen nicht zu stören. Nur auf einem kleinen Wall hat Sabine, die Blumen liebt, etwas Farbe hineingebracht: Klaus spricht im Überschwang meist von „meinem“ Garten, aber natürlich ist es das gemeinsame Projekt der beiden. „Sabine ist viel fleißiger als ich“, erkennt er neidlos an, „sie schneidet die Gräser, erledigt viele der täglich anfallenden Arbeiten.“ Klaus ist mehr für das Offenkundige zuständig: Teiche, einen großen Torbogen aus Haselheide, durch den man den Garten betritt, oder eben die vertikale Wand.

Runde Sache: Durch ein Tor aus Haselheide betritt man den Garten. Sabine beseitigt die Seitentriebe der Haselruten, um diese zu verarbeiten.
Runde Sache: Durch ein Tor aus Haselheide betritt man den Garten.

Der hintere Garten war schon nahezu fertig, als schließlich auch das Fertighaus geliefert wurde. „Die Arbeiter haben ziemlich gestaunt, die meisten Leute bauen erst und machen dann ihren Garten“, erinnert sich Klaus. Sabine und er haben sich für ein „Hufhaus“ entschieden, mit Holzrahmenstruktur und komplett verglast, um drinnen zu leben, sich dabei aber wie draußen zu fühlen. Es ist unterkellert und passte geradeso in die Baugrube, bis auf einen Spatenstich von 30 Zentimetern, dahinter fing gleich der Seerosenteich an. Wasser aus der Dachregenrinne fließt direkt dort hinein, ebenso der Überlauf aus dem Schwimmteich, unter anderem über einen Naturwasserspeier aus einem getrockneten Palmblattstiel. Vor dem Haus schlängelt sich ein künstlicher Bach, der links am Haus vorbei in den Garten führt. Besucher laufen über Holzbohlen, die Schritt für Schritt auf Stahlträgern verankert sind.

Als der Nachbar sich eine Garage baut, die direkt ans vordere Grundstück der Franks grenzt, beschließt Klaus, auch diese Wand zu „bepflanzen“. Aber diesmal nicht in Grün, sondern in Naturstein. Mittendrin ragt ein Baum aus rund geschliffenen Flussschieferkieseln empor: „Wir haben zuerst die Mauer gebaut und in der Mitte Platz gelassen für den Baum, den ich an der Garagenwand vorgezeichnet und dann mit den Kieseln aufgefüllt habe.“ Die dicken Steine für die Mauer aber stammten aus dem Abriss einer ehemaligen Fabrik und wurden mit zwei Sattelschleppern geliefert. „Das war eine Schau, wir mussten Freunde anrufen, damit sie uns mit Sackkarren helfen, die Steine auf unser Grundstück zu bringen.“

Der balinesische Garten in Thüringen ist natürlich „winterhart“, genauso wie das ganze Grün darin. Denn was im Sommer so exotisch aussieht, ist einheimisch, oder die Pflanzen sind so gezüchtet, dass sie auch europäischem Frost trotzen können. Bis auf die Reispapierbäume, die Klaus vor Kurzem für sich entdeckt und ein erstes Exemplar in einen Topf gepflanzt hat. Der Baum hat drinnen überwintert und durfte inzwischen auch in den Garten. Seine Blätter sind nicht nur herrlich groß. Klaus freut sich besonders über ihre neongrüne Farbe.

Text: Andrea Freund | Fotos: Klaus Frank