Der Samurai aus Holz
Danny Reinhold aus Lichtenstein hat einen hölzernen Samurai gebaut – fast zwei Meter groß und aus 12.000 Einzelteilen. Nach historischen Vorlagen und mit großer Detailverliebtheit hat er sich ans Werk gemacht und dabei einige Hürden überwunden.
Im Oktober 2021 konnte man ihn auf einem Holzkunstmarkt in Lichtenstein, Sachsen, zum ersten Mal bestaunen: den hölzernen Samurai, gebaut von Danny Reinhold. In Lebensgröße, um genau zu sein: 1,96 Meter. „Die Idee für den Samurai kam mir im Halbschlaf zwischen Aufstehen und Zähneputzen“, erinnert sich Danny, der in Lichtenstein lebt. Der „Vollzeit-Hobbykünstler“, wie er sich beschreibt, hatte gerade ein hölzernes Fabergé-Ei aus 4000 Teilen fertig, „und nun musste eine neue Herausforderung her. Und da ich selbst Kampfsportler bin, lag das für mich nahe“.
Sein Samurai sollte so echt wie möglich sein – und dafür brauchte er Vorlagen. Erst recherchierte er im Internet, fuhr dann nach Großbritannien. Im British Museum, im Victoria & Albert Museum und im Tower of London fand er Exponate, die ihn zu seinem Samurai inspirierten. „Dort gibt es aber alles nur hinter Glas“, erzählt Danny, „doch in Brighton fand ich einen Antikladen, der auf historische Militaria spezialisiert ist. Als ich den Inhabern von meinem Vorhaben erzählte, fanden sie das zwar verrückt, aber sie ließen mich auch mal was anfassen und Detailfotos machen.“
Zumindest vor seinem geistigen Auge hatte er damit alles, was er brauchte: „Aber ich war mir noch unsicher, ob das nicht vielleicht doch eine Nummer zu groß wird, und habe erst mal mit dem Helm und den Schwertern angefangen. Die hätten auch für sich allein stehen können.“
Zuerst der Helm. „Er sollte in Holz darstellbar sein, schon eine Herausforderung, aber nicht ausufernd kompliziert.“ Für das Helminnere verwendete er Holzreste, außen fünf Millimeter dickes Schwarznussholz, dazwischen platzierte er Zierrippen aus rund 50.000 Jahre altem Kauriholz.
Das Holz hat Danny aus Neuseeland mitgebracht. Es ist dem der hiesigen Mooreiche ähnlich und entsprechend rar. Japanische Samurai haben auch Wappen, die Mon genannt werden. Dannys Ritter trägt seines auch auf dem Helm. Es besteht ebenfalls aus Kauriholz.
Nach dem Helm sind die beiden Schwerter an der Reihe, für die er zunächst die Einzelteile aus geräucherter Eiche, Merbau- und Ulmenmaserknollenholz in Form brachte und verleimte. Eines der Schwerter sollte ein sogenanntes O-Dachi werden, das nur von spezialisierten Samurai genutzt wurde. Die Herausforderung: „Die Griffe haben winzige Knubbel, im Original ist das die Rückenhaut von Stachelrochen.“ Wie sollte er die aus Holz nachbilden? Klar, dass Danny auch dazu bald eine Idee hatte.
Für die Imitation der Rochenhaut fertigte Danny aus Schaschlikspießen an einer Minidrechselbank rund 1500 winzige abgerundete Holzteilchen, die er danach zu Rauten zusammensetzte und sie dann in ausgeschnitzte Vertiefungen im Griff einließ: „Acht Sunden habe ich dafür gedrechselt! Sie ähneln zwar eher Senfkörnern als Rochenhaut, aber das fiel mir zu spät auf“, lacht Danny.
Da Danny mit Helm und Schwertern mehr als zufrieden war, gab es für ihn auch keinen Grund mehr, nicht auch den Rest des Samurai zu bauen. Los ging es mit der Bodenplatte. Sie kam vom Sperrmüll und wurde mit recycelten Terrassendielen aus Bankirai eingefasst. Dann arbeitete sich Danny einfach noch oben weiter.
Die Schuhe fertigte er nach Fotos aus dem Victoria & Albert Museum und nach eigenem Vorbild: „Ich habe meinen Fuß auf Holz gelegt und darauf die Sohle und die anderen Teile angepasst.“
Die Beine machte Danny aus Kiefernholz – das sieht man aber nicht. Vielmehr bekam der Samurai Strümpfe aus Kirschholz und Beinkleider aus Knollenholz, darüber den mehrstreifigen Beinschutz. Und die vermutlich aufwendigsten Knieschützer westlich von Japan: „Die Schützer sind im Original oft aus gestepptem Stoff“, erklärt Danny. Er entschied sich, die Steppoptik aus einzelnen Holzplättchen nachzubauen: „Die mussten dann natürlich auch konvex gedrechselt werden.“ Wurden sie auch, klar.
Der Korpus des Samurai ist groß, breit und sperrig – massiv aber ist er nicht. „Erst einmal hätte das zu viel Gewicht bedeutet, zum anderen ist ein dicker Block immer am Arbeiten, das hätte mir die Figur irgendwann auseinandergerissen“, erklärt Danny. Also entschied er, das Ganze hohl wie ein Fass zu konstruieren. Mit waagerechten Böden und Kiefer- beziehungsweise Fichtenlatten baute er die grobe Fassform, brachte darauf quer Sperrfurnier auf. So entstand eine anatomisch gerundete Form. Auf die musste nun noch der Brust- und Rückenpanzer. Wie Nacken-, Hals und Schenkelschutz besteht er aus kleinen Schuppen. „800 brauchte ich insgesamt“, berichtet Danny. Zwei Wochen lang dauerte es, bis er die zusammenhatte. Aus dicken Nussbaumklötzen sägte er Streifen. „Dann hieß es, mit dem Minifräser Seiten, Kanten und Bogen abrunden, und das 800-mal – da muss man dranbleiben.“
Der Körperharnisch bot wieder eine besondere Herausforderung: „Der Körper ist ja rund, da konnte ich nicht einfach fünf Millimeter dickes Nussbaumholz draufmachen. Also nahm ich dünneren Nussbaum und dünnere Fichte darunter. Die Teile habe ich verleimt und dann stufenförmig aufgeklebt.“ Wie so vieles bei diesem Projekt kam es auf die genaue Anpassung an. Mit einem Spanngurt wurden die Stufen jeweils fixiert, bis der Panzer quasi hauteng saß.
Reichlich Mühe kosteten auch die zahlreichen Schnüre und Bänder, die Danny aus Holz nachbaute, fräste, schmirgelte. Musste aber sein. Ohne diese Verbindungen hält keine Rüstung. Dann verband er die Arme und Hände mit dem Torso: „Erst habe ich am Oberkörper links und rechts Anschlüsse gebohrt, an die die Arme mit Schrauben und Dübeln in Position gebracht wurden. Das musste alles genau passen, denn an den Armen sind ja die Hände, die wiederum das Schwert halten.“ Für die Hände benutzt Danny Buchen- und Birkenholzklötze. „Zuerst habe ich einen Tunnel für den Schwertgriff gebohrt, dann die Hand drum herum geschnitzt.“ Unsichtbar unter den dunklen Schutzhandschuh-Details des fertigen Werks liegen die Schrauben, die Hand und Schwert verbinden – wie überhaupt alle Metallteile gut verborgen sind.
Apropos verborgen: „Den Kopf hatte ich, Schuppen für Nackenschutz hatte ich, also konnte ich mit der Maske anfangen“, so Danny. „Im Original sind die aus Eisenblech. Ich hatte mal eine Samurai-Maske mit Zähnen gesehen, das wollte ich für meine auch.“Wieder nutzte Danny mehrere Inspirationsquellen, bevor er mit dem Schnitzen begann. „Ich habe sie nach den Proportionen einer Originalmaske gefertigt. Die Masken dienten nicht nur dem Schutz des Gesichts, sondern auch dazu, den Gegner einzuschüchtern, sie durfte also gern dämonisch aussehen.“
Einen richtigen Kopf mit Schädel und Nase besitzt der sächsische Samurai nicht. Unter Maske und Helm steckt eine Art geschnitzter Hohlkopf, dessen Hals exakt in das Elf-Zentimeter-Loch oben im Oberkörper passt. Auch die Mundpartie ist eine separate Attrappe. Die hat Danny hinter die Maske geschoben und die Maske auf den Kopf aufgebracht. Augen und Zähne der Maske bestehen übrigens nicht aus Holz, ausnahmsweise. Sie sind aus Rinderknochen – so bleiben sie weiß.
„Besonders zeitraubend war das Anpassen der Maske auf das Gesicht“, erinnert sich Danny. Und dann das der Schnüre, die den Helm halten, „Stunde um Stunde hat das gedauert“.Aber dann – der Abschluss: Endlich konnte Danny den Helm auf den Kopf setzen und verleimen. Er hatte es vollbracht. Nach 12.000 Einzelteilen und 2500 Arbeitsstunden.
In der Zwischenzeit hat Danny schon weitere Werke auf den Weg gebracht: eine Amazone etwa, ein zweites Fabergé-Ei ist ebenfalls in der Mache. Er kann es eben einfach nicht lassen: „Ich freue mich, wenn Leute über meine Werke reden und rätseln, wie das oder jenes wohl gemacht wurde, und ich stehe unerkannt daneben und denke mir meinen Teil.“
Der Samurai in Zahlen
Gesamthöhe: 1,96 m
Gewicht: 69 kg
Einzelteile: 12.000
Holzarten: 23
Bauzeit: 15 Monate
Text: Bettina Lüke | Fotos: Danny Reinhold