Der selbst gebaute Felsengarten
Wolfgang Kohlhepp hat seinen Garten zu einem Reich aus grün umrankten Felsformationen gemacht. Was ganz natürlich aussieht, besteht vor allem aus Zement.
Eine felsige Kulisse – mit Badeteich, Grotte und Brücke, alles über und über mit Moosen und Pflanzen bewachsen. Für den einen Teil hat die Natur gesorgt, für den anderen Wolfgang Kohlhepp. Auf 850 Quadratmetern erstreckt sich sein grünes Gartenreich.
Alles fing damit an, dass Wolfgang und seine Frau Elvira vor 20 Jahren ihren Zen- in einen Japangarten verwandeln wollten. Weg vom Kies, hin zum Felsen. „Der Garten war damals aber schon angelegt, da wäre ich mit schwerem Gerät nicht hineingekommen“, erzählt der einstige Inhaber einer Bauträgerfirma. Zudem: woher Felsen kriegen, die groß genug sind und natürlich aussehen. „Nicht wie im Zoo, eingefärbt und mit Schabspuren von Maurerkellen?“, sagt er.
Wolfgang macht, bevor er sein Projekt angeht, einen Test: Er gräbt ein Loch in den Rasen. Flach, nicht allzu tief, nur so, dass er flüssigen, chromat-armen Zement aus dem Baumarkt, gemischt mit Sand, kleinen Steinen und Lehmklumpen, hineinfüllen kann. Dann schaufelt er Erde drüber und lässt das Ganze ruhen, eine Nacht, wie einen guten Teig. Nur dass sein „Teig“ am nächsten Morgen zu einer flachen, festen, eckigen Form „verbacken“ ist. Als er sie ausbuddelt, mit dem Besen und etwas Wasser aus dem Gartenschlauch reinigt, stellt er fest: „Die hat ja eine wunderbare natürliche Struktur, mit Löchern und Rissen!“ Gerade so wie echter Stein. Wolfgang ist begeistert. Ab diesem Moment ist für Wolfgang klar: Er macht sich die Felsen selbst. Und so wird die selbst gegossene Wegplatte, anfangs nur eine fixe Idee, der erste Schritt zur großen Felsen-Natur-Landschaft, die er um sein Haus im fränkischen Oberwerrn gebaut hat.
Fake-Felsen aus Zement, die täuschend echt aussehen. Und sich optisch nicht von den Natursteinen unterscheiden, die Wolfgang mit seinem Transporter herbeischafft und hier und da dazwischen platziert. „Zement ist gemahlener Kalkstein“, erklärt der Herr der Felsbrocken, „der vermoost genauso wie die Steine, die ich mir dazu geholt habe, bildet dank Wind und Wetter im Laufe der Jahre eine genauso schöne Patina.“ Zusätzlich hat er sie begrünt. „Wir wohnen das halbe Jahr im Garten, da spielt sich im Sommer das ganze Leben ab“, sagt der gelernte Raumausstatter. Kein Wunder, dass er auch den Außenbereich zu seinem Gestaltungsraum macht.
Ich hebe lehmige Erde aus, tief, von Hand, jeden Tag zwei Stunden, und das über Monate.“
Wolfgang Kohlhepp
Die Grotte
Mit der Erfahrung wird auch sein Projekt größer und er mutiger. Die Wegplatten hat er noch in die Erde gegossen, wie in eine Hohlform. Am Pool wagt er sich dann an eine stattliche Höhle mit Felsüberhang, seine „Grotte“. Er baut diesmal in die Höhe, türmt zunächst einen riesigen Haufen aus rund sieben Kubikmeter Erde, Sand, Steinen und klumpigen Ackerschollen auf. Sie sorgen von unten für eine möglichst natürliche, unebene Oberfläche. Um diesen Erdhaufen, von außen, soll die Grotte emporwachsen. Der vorher so ordentliche Garten wird zur Baustelle, in der unablässig der Betonmischer rotiert. Zement, Erdschollen und krümeligen Lehm rührt sich Wolfgang portionsweise an. „Fertigbeton muss schnell verarbeitet werden“, sagt der heute 72-Jährige, er aber will ja modellieren wie ein Bildhauer.
Das „Auspulen“
Um die gewünschte Struktur zu bekommen, trägt er erst das dickere Fundament auf und dann immer nur eine etwa 30, 40 Zentimeter dicke Schicht aus seinem Zementgemisch und verschließt diese wieder mit Erde. „Nach zwei Tagen – da ist die Schicht nur halbfest – habe ich alles frei gemacht und geschaut, ob sie von der Form und der Struktur her passt, dann wieder alles zugegraben und aushärten lassen“, erzählt Wolfgang. Erst dann kommt die nächste Schicht. Das „Auspulen“, wie er das nennt, das vorsichtige Freilegen mit der Schaufel, ist immer ein etwas kritischer Moment: „Manchmal geht die Form daneben, sieht nicht gut aus, dann muss man es zerklopfen.“ Und ab damit in das nächste große Zementstück, in das Wolfgang es mit einarbeitet. „Wenn man alles auf einmal macht, huddelt man“, fügt er hinzu, „außerdem ist es gefährlich, da können Teile dabei sein, die nicht harmonisch passen und dadurch brüchig sind. Das Ganze soll ja halten.“ Wochenlang geht das so, doch schließlich kann er den stützenden Erdhaufen entfernen – und die Grotte ist fertig. Zweieinhalb Meter hoch, sodass er bequem darunter stehen kann. Lieber aber streckt er sich im Sommer unter ihrem schattigen Dach auf der Sonnenliege aus. Damit die Grotte im Winter frostbeständig ist, hat Wolfgang eine Zement-Sand-Erde-Steine-Mischung mit besonders hohem Zementanteil verwendet. Hier platzt immer mal etwas ab, so wie Fels in der Natur verwittert. Das sorgt für ein Extra an Authentizität.
Arbeit mit Fantasie
Viele seiner Arbeitsschritte und Zwischenstände hat Wolfgang in farbigen Illustrationen festgehalten. Sie zeigen seine Liebe zum Detail. „Wichtige Dinge kommen darauf viel besser zur Geltung als auf Fotos“, findet er. Wolfgang hat viele Talente. „Es ist ganz normal, dass ich nachts aufwache und darüber nachdenke, welche Möglichkeiten ich habe“, erzählt er. Einen Plan hat er immer, eine Skizze legt er an, „aber dann wird nach Gefühl gearbeitet, man lässt sich los. Das ist die Kunst.“
Der Zement bildet fließende Formen. Hier ragt was über, dort bricht etwas ab, an anderer Stelle hat sich eine Fuge gebildet. Und es dauert. Wolfgangs Felsenlandschaft ist über knapp zwei Jahrzehnte entstanden, aus unzähligen Tonnen Zementgemisch. Wie viele es genau waren, darüber hat er nie nachgedacht. Neue Ideen bekommt Wolfgang im Urlaub, den er mit seiner Frau am liebsten in der Nähe von Naturwundern oder an wilden Stränden verbringt – „den Skizzenblock habe ich da immer dabei“. Haben seine Felsen konkrete Vorbilder? „Das kannst Du vergessen“, so Wolfgang, „das geht nicht, und ich wollte auch nie Kopien von etwas machen.“
Teich mit Brücke
Dann wagt er sich an das imposanteste Werk der Gartenanlage, einen 20 Meter langen Schwimmteich mit einer acht Meter langen Brücke, die darüber hinweg führt. Also wieder, erzählt er: „Ich muss lehmige Erde ausheben, tief, von Hand, jeden Tag zwei Stunden, und das über Monate.“ Dann kann er endlich als „Grund“ eine Bodenplatte gießen. Dass eine Mauer den Teich wie in sanften Wellen umgibt, verbergen die „Felsen“, die als Kragen ringsum laufen und das Becken wie einen natürlichen Pool wirken lassen. In den Felsen steckt, für zusätzlichen Halt, Baustahl, ebenso in der Brücke, in der Grotte sowie im „Felsendach“, unter dem er im Sommer seine große Bonsaisammlung hegt und schneidet – er musste es mit einem 60-Tonnen-Kran hochheben und auf andere „Felsen“ wuchten lassen.
38.000 Liter fasst der Schwimmteich, gespeist aus Regen- und Grundwasser. „Das war meine größte Herausforderung“, sagt Wolfgang. „Hier steckt viel Technik drin für Zu- und Abfluss und die biologische Kläranlage.“ Der Teich hat Trinkwasserqualität, trotz wöchentlicher Fischfutterportionen. Denn hier schwimmen Kois und ein 1,30 Meter langer Stör. „Der will sich immer kraulen lassen“, berichtet Wolfgang. Die normalerweise zutraulichen Kois dagegen nehmen Reißaus. „Ich bin der, der mit dem Stör schwimmt“, grinst Wolfgang.
Und jetzt, wo der Garten fertig ist? Die Enkel freuen sich über die künstlichen Felsen als Klettergerüste. Der Pool bekommt neue Farbe und ein anderes Dekor. Und natürlich hat Wolfgang einen noch langfristigeren Plan: Das gelb blühende Steinkraut auf den Felsen möchte er allmählich gegen Blaukissen austauschen, mit Tönen von Weiß und Hellblau bis Rot-Violett. „Das dauert mindestens drei bis fünf Jahre“, sagt Wolfgang. Die Skizze dafür hat er schon im Kopf. Im Frühjahr geht’s los.
Wolfgangs Garten in Zahlen:
- Größe: 850 Quadratmeter
- Wassermenge im Teich: 38.000 Liter
- Erdhaufen für die Grotte: 7 Kubikmeter Sand/Erde
- Zementmenge: unbekannt
- Bauzeit: circa 15 Jahre
- Länge des Störs: 1,30 Meter
- Alter des Störs: 22 Jahre
Text: Andrea Freund | Illustrationen und Fotos: Wolfgang Kohlhepp