Am Anfang: ein Hügel aus Asche, Bergbauhinterlassenschaft. „Bei Nacht und Nebel hatten Leute dort alles verklappt, was sie loswerden wollten“, erzählt André Jakubetz. Elf Großcontainer füllt er mit dem Schutt, um sein Grundstück freizuräumen. Und entdeckt darunter zehn Granitsteine. Mächtige Blöcke. Zu schade, um sie einfach wegzuschmeißen. „Mit denen muss man doch etwas anfangen“, denkt er sich. Das war 2006.

André Jakubetz

André ist tief verwurzelt in der Oberlausitz. Geboren in Wittichenau, Abitur in Hoyerswerda, seit 1982 Zahnarzt mit Praxis in Mortka, einem winzigen Dorf im Norden des Landkreises Bautzen. Und er ist einer, der Dingen, die schrottreif sind oder kaputt, schon immer gern ein neues Leben einhaucht. Als Kind repariert er kaputte Radios, funktioniert alte Autos zu Seifenkisten um. Bauen ist sein Ding. Seine Praxis in Mortka baut er später selbst, aus einer ehemaligen Gaststätte des VEB Braunkohlenkombinats Glückauf macht er ein Haus für altersgerechtes Wohnen. Ein lang gehegter, bis dahin vager Traum: eine „Begegnungsstätte mit Parkanlage für die alten Leute schaffen – und eine Attraktion für die Gegend“. Mit den Granitblöcken unter dem Schutthaufen kommt dann die konkrete Idee: Es wird eine Burg. „Und wenn bei mir eine Idee erst mal geboren ist, dann bekommt sie eine gewisse Dynamik“, erklärt er.

Kleine Zweifel gibt es zunächst: „Ich dachte erst, es gab in der Gegend ja gar keine Burgen – da kann ich doch keine bauen“, erinnert er sich. Aber: Im Stadtmuseum Hoyerswerda findet er das Modell einer Burg von 1327, die nur wenige Kilometer entfernt gestanden hat. Allerdings war die aus Holz und wurde irgendwann erobert, geschliffen, niedergebrannt. Sie taugt also nicht als echtes Vorbild. Aber als Grundlage. André reist viel herum, schaut sich in Sachsen die Burg Kuckuckstein, die Burg Rabenstein und andere an. Aber alles nur zur Inspiration: „Meine Burg ist eine reine Fantasieburg – wie bei Harry Potter. Keine historischen Pläne oder so was“, betont André.

Stück für Stück eignet er sich das Wissen um den Burgenbau an, dann macht er sich an die Bauzeichnungen, stellt den Antrag und kümmert sich um die Materialbeschaffung. Auf seine Weise.

Der Burgherr und sein Material: André Jakubetz hält einen Granitstein hoch.
André Jakubetz zeigt, woraus die Burg ist: Granit.

In der Gegend um Kamenz und Bautzen gab es früher viele Granitsteinbrüche. Häuser bestehen traditionell im unteren Teil aus Granit, im oberen aus Backstein. Für das Innere der Burg braucht André daher auch viel Backstein. Um an Material zu kommen, gründet er eine kleine Baufirma mit vier bis fünf Helfern. „Wir haben den Leuten, die in der Gegend neu bauen wollten, angeboten, die alten Höfe auf ihren Grundstücken kostenlos abzureißen – wenn wir dafür das Baumaterial mitnehmen konnten. Das war der Deal.“

41 alte Höfe reißen sie für die „Jakubzburg“ ab, richten eine Werkstatt neben der Praxis ein, außerdem besorgt André Holzbalken von Abrisshäusern aus Dresden. „Die Hölzer der Bauernhöfe waren für tragende Decken nicht so geeignet, da brauchst du Hölzer, die schon mal über Flüsse geflößt worden sind. Die sind viel stabiler und resistenter gegen jede Art Wurmbefall“, sagt er.

André Jakubetz

Am 30. September 2008 kommt die Baugenehmigung, am 1. Oktober geht es los. 20 mal 20 Meter groß ist der Hauptbaukörper der „Jakubzburg. „Wir haben mit dem Fundament angefangen, dann die Ecken gebaut, den Burgturm und das Tor aber erst spät – wir wollten den Leuten, die hier vorbeifahren, nicht so rasch verraten, was hier passiert“, sagt er. Jeden Morgen von sechs bis neun Uhr ist er auf der Baustelle. Seine Praxis öffnet erst spät, lässt sie dafür bis 21 Uhr geöffnet. Er mauert, verputzt, verkleidet. Die Pläne und Gestaltung der Innenräume übernimmt seine Frau, anderes – etwa die Be- und Verarbeitung von Stahl und Eisen, das Biegen und Fräsen – übernehmen seine Mitstreiter in der dafür eigens errichteten Werkstatt. Zwischenzeitlich packen zehn, elf Leute auf der Baustelle an. „So ein Projekt kann man nur gemeinsam stemmen, ganz allein funktioniert das nicht“, sagt er.

Gewölbe aus Beton und Granit, rustikal eingerichtet von der Burgherrin.
Für Hochzeiten und Ritterfest geeignet: kleiner Speisesaal der Burg, von der Burgherrin eingerichtet.

Am 15. September 2012 wird die Burg eingeweiht. Stillstand war seither trotzdem nicht. André hat noch eine Scheune für Radler gebaut (der Ort liegt an zwei Radwanderwegen), eine Theaterbühne (auf der nun sogar die Landesbühnen Sachsen gastieren) und zuletzt einen Parkplatz. Für 2022 hat er schon ein neues Projekt: ein Dorf, zwölf Häuser im mittelalterlichen Fantasiestil, dazu eine Kirche. „Meine Frau sagt manchmal zu mir: Du unterschreibst mir jetzt, dass wir irgendwann mit dem Bauen aufhören.“ Ihre Chancen, das weiß sie selbst, stehen nicht besonders gut.

Magisches Leuchten: Die fertige „Jakubzburg“ wird bei Nacht angestrahlt.
Beeindruckend: die fertige „Jakubzburg“ bei Nacht.
Die Granitburg mit Burgtor, Türmen und dicken Mauern ist eine Attraktion in der Lausitz.
Imposanter Bau, aus einer kleinen Idee geboren: Die „Jakubzburg“ ist eine echte Attraktion in der Lausitz.

Text: Volker Corsten | Fotos: André Jakubetz, Torsten Kellermann