Es wird mal wieder eng für Thomas Tacken: Mit dem Akkuschrauber in der Hand schiebt er sich – rücklinks auf der Bordsteinkante liegend – so weit es geht unter das Heck seines Fiat Ducato. Er muss an die Entlüftung der Standheizung ran. Eine frickelige Angelegenheit in der schmalen Straße in Eppendorf, einem beliebten Hamburger Stadtteil. Und inzwischen für die Anwohner hier ein gewohntes Bild, meist komplettiert von Thomas’ Frau Yve und der englischen Bulldogge Cooper.

Thomas liegt auf dem Rücken auf dem Bordstein zwischen Fahrrädern und dem Van.
Enge Sache: Thomas bohrt das Abwasserloch.

„Wir kennen jetzt wirklich alle Nachbarn in der Straße“, erzählt Thomas, „alle wissen, was wir mit dem Van vorhaben. Einige halten uns für bekloppt, andere halten uns für die Besten. Viele sagen: ,Wenn ich könnte, ich würde es auch machen …‘“ Machen, das heißt in ihrem Fall: einen gebrauchten Van kaufen, zum Wohnmobil um- und ausbauen, Wohnung kündigen, Hab und Gut verkaufen – und dann Richtung Sonne. Leben als Reisende. Nicht für ein paar Wochen. Für Jahre. Wenn möglich: für immer.

Im August 2020, genervt vom Stadtleben, kauften sie sich einen Fiat Ducato L4H2, Baujahr 2016, mit damals 232.000 Kilometern auf dem Tacho. „Für so ein Ding ein guter Wert. Ich habe mich lange damit auseinandergesetzt und bin am Ende dem Rat eines YouTubers gefolgt, der Kfz-Meister ist“, erzählt Thomas. „Der riet: ‚Kauft einen jungen Van mit vielen Kilometern. Der ist gewartet, der ist gepflegt, der hat Werkstätten gesehen.‘ Unser Bus fuhr für Airbus, Tag und Nacht, wurde ordentlich durchgepustet, war scheckheftgepflegt und günstig.“ Als Erstes machten sie den Van komplett leer, rissen alles raus, was sie nicht brauchen konnten. Das war noch einfach. Dann wurde es kompliziert.

Van mit offenen Hecktüren. Straße mit Kopfsteinpflaster. Man sieht die Holzkonstruktion für Bett und Tisch.
Der Holzunterbau des Vans. Unter Bett und Tisch gibt es viel Stauraum.

„Es gibt Leute, die planen und messen und zeichnen alles auf und machen sich im Computer ein 3-D-Modell. Wir haben das nicht gemacht“, erzählt Yve und grinst. Sicher, sie wussten grob: „Wir brauchen ein Bett, einen Tisch, eine Toilette und einen fest verbauten Kocher“, sagt Thomas. Details kamen aber später: „Wir haben uns etwa bewusst gegen Seitenfenster entschieden, einmal zur Einbruchsicherung, einmal wegen der Privatsphäre. Dafür haben wir erst eine, dann doch zwei Dachluken in den Van geschnitten, vorne und hinten – für die Durchlüftung.“ Wenn etwas nicht passte oder nicht gefallen hat, dann haben sie es wieder rausgerissen und noch mal gemacht. „Ich hatte für die Möbel und den Ausbau schon konkrete eigene Ideen, aber es macht einfach immer Sinn, sich bei dem Thema Van-Ausbau bei YouTube umzuschauen. Da gibt es tausend Tipps und Ideen, wie man was machen kann“, sagt Thomas. Schubladen mit Kindersicherungsmagneten versehen etwa. „Es war ein totales Learning-by-doing- und Step-by-Step- und Man-wächst-mit-den-Aufgaben-Projekt. Ganz viel ist erst beim Machen entstanden“, sagt Yve. Beide nicken.

Erst mal haben sie ein Ständerwerk aus Holz gebaut, weil sie Seitenwände haben wollten. Dann fiel ihnen auf, dass Seitenwände sehr viel Platz kosten – also Ständerwerk und Seitenwände wieder raus. „Wir hatten auch erst ein anderes Bett drin. Wir wollten längs schlafen, damit ich mit meinen 1,94 Metern ein Zwei-Meter-Bett habe“, sagt Thomas. „Dann wäre aber die Küche zu klein geworden, merkten wir. Also alles wieder raus. Neuer Plan.“ Sie bauen ein Bett in U-Form, schlafen aber quer, haben dadurch 30 Zentimeter für die Küche gewonnen. Thomas kann sich trotzdem ausstrecken. Die Breite ist ein Vorteil des Ducato. In der Mitte des Betts ist der Tisch, den man einklappen kann zum Schlafen. Darunter ist viel Stauraum – und auch eine Box für Bulldogge Cooper, die in manchen Ländern gefordert ist.

„Wir haben jeden Cent, den wir im letzten Jahr verdient haben, in den Van gesteckt, alles selbst gebaut. Jetzt wollen wir langsam auch fertig werden“, sagt Thomas. Sein „Sailor Dude“-Gesicht, wie Yve es nennt, ziert als gezeichnetes Logo den Bus. Nur seins. Zwei Köpfe für das Logo findet Yve zu viel. „Thomas mag die Bühne, er ist bei uns die Rampensau.“ Als Social-Media-Managerin ist sie Profi darin, ihr privates Projekt unter dem Namen „Vanrebelz“ auf Instagram und YouTube in Szene zu setzen. Mit allen Höhen, aber auch Tiefen. Die beachtliche Community, die es beim Thema Vanlife gibt, liebt das.

Um den Druck hochzuhalten, hat Yve Ende des vergangenen Jahres ihren festen Job gekündigt, arbeitet nun frei – und das in Zukunft vom Bus aus. Mobile Office. Ende Oktober wollen sie das Land verlassen haben. Spätestens. Die Wohnung ist gekündigt, das Mobiliar verkaufen sie gerade.

Yve und Thomas vorm leeren Van. Thomas mit Schraubenzieher in der Hand im Van.
Wird schon: Yve und Thomas vor dem leeren Van. Und Thomas bei der Arbeit. Alles selbst gebaut.

„Wir waren schon immer Reisende, haben beide so viele Städte und Jobs gewechselt. Von daher passt das Projekt sehr zu uns“, sagt Thomas. Er hat die vergangenen zehn Jahre bei großen Bühnenbaufirmen gearbeitet. „Ich war weg, weg, weg. Wacken, Hurricane, Rammstein-Tour … So ging das das ganze Jahr. Ich hatte zum Teil gar keine Wohnung mehr, weil ich eh nur im Hotel war.“ Für seine Frau, das war beim Heiratsantrag ihre Bedingung fürs Ja, hat er das Tourleben aufgegeben – und arbeitet seitdem als selbstständiger Industriekletterer. Windkraftanlagen bauen, Strommasten, Mobilfunkmasten, Fassadenbegutachtung. „Mir fehlt das Unterwegssein“, gibt er zu. Und freut sich – nun gemeinsam – wieder auf Tour zu gehen.

„Jeder hat zu mir gesagt: ,Du bist doch Handwerker, so ein Van-Ausbau ist für dich doch kein Problem‘“, erinnert sich Thomas. Aber bei den Maßen fing es schon an: So ein Wagen hat hundert Ecken, hundert Kanten – und kein Maß, rein gar nichts ist gerade. „Es gibt hier einfach keine 90-Grad-Winkel. Ich habe in diesem Auto daher wirklich alles, was wir gebaut haben, mindestens zweimal in der Hand gehabt. Außerdem ist mir offenbar sehr oft zwischen Messen und Sägen irgendwo ein Zentimeter verloren gegangen.“ Am Anfang hat er alle Möbel selbst gesägt, am Ende ist er auch mal mit den Maßen zum Zuschnitt im Baumarkt gegangen. Manches Lehrgeld haben sie auch gezahlt, weil sie schlauer sein wollten als andere „Vanlifer“. So haben sie etwa zunächst Klebelaminat statt – wie alle anderen – PVC verlegt. Fand Yve schöner. Löste sich sofort wieder ab. Also wieder alles raus, auch das Bett, das schon drin war. Und PVC verlegen. Den man nun, unter anderen Stoffen versteckt, gar nicht sieht.

An anderen Stellen ging das Experimentieren aber gut. Über dem Induktionskochfeld etwa, direkt hinterm Fahrersitz, haben sie große schwarze Fliesen zwischen Herd und Hängeschrank verbaut. Zu schwer, fürchteten sie zunächst. Thomas klebt sie mit Montagekleber an, nicht mit Fliesenkleber, verfugt sie mit Silikon statt Fugenmasse. Damit es hält. Drei Stunden Arbeit sind geplant, acht werden es. „Eine Schweinearbeit“, sagt Thomas. 24 Stunden den Bus nicht bewegen. Hoffen. Dann der Test. Was auf dem Kopfsteinpflaster ihrer Straße hält, das hält auch auf Tour.

Gedämmt haben sie den Van mit Armaflexplatten. Dämmstoffe sind eine Glaubensfrage unter Van-Ausbauern, erzählt Thomas. Armaflex sind selbstklebende Schaumstoffmatten. Das Material hat einen sehr guten Dämmwert bei geringem Gewicht und guter Dichte. 19 Millimeter stark. „Amerikaner oder Engländer etwa nutzen so etwas überhaupt nicht. Aber wir Deutschen bauen unsere Vans ja auch immer gleich für die nächsten 400 Jahre aus“, meint Yve lachend. Die Armaflexplatten liegen am Boden auf einer Platte, die auf eine Holzkonstruktion geschraubt ist, um die „Fußkälte“ zu verringern. „Der Wagen ist für alle Klimazonen gedämmt – aber vermutlich für keine perfekt“, sagt Thomas lachend. Er soll aber überall funktionieren.

Der leere Van, mit Armaflexplatten gedämmt. Thomas steht im Van und schraubt die Dämmplatten fest.
Dämmen ist unter Van-Ausbauern fast eine Glaubensfrage. Thomas schraubt eine Armaflexplatte an.

Zunächst wollen sie eher in wärmeren Gefilden unterwegs sein: Es geht über Italien mit der Fähre nach Barcelona. Dann weiter zu den Monsterwellen in Nazaré, Portugal. Und von dort auf die Kanaren zum Überwintern. Aber so genau wissen sie das nicht.

Thomas und Yve zeigen auf ihren Social-Media-Kanälen auch, was danebengeht. „Wir bereuen nichts, was schiefgelaufen ist. Es ist ein DIY-Projekt. Nicht perfekt, aber so, wie es zu uns passt“, sagt Yve. Eine Sache aber würden sie beim nächsten Mal grundsätzlich anders, nämlich am Anfang machen: den Elektroplan. „Elektronik ist einer der größten Batzen bei so einem Van-Ausbau. Wir dachten, komm, wir fangen schon mal an und sparen uns den Strom während der Arbeit zusammen“, sagt Yve. Also haben sie erst einmal alle Möbel aus Holz gesägt und verschraubt und sich danach Gedanken über den Strom gemacht. „Im Idealfall macht man den Wagen leer und legt die Stromkabel dahin, wo die Verbraucher hinkommen sollen. Wir wussten das aber einfach noch nicht“, sagt Yve. Deshalb mussten sie das Pferd von hinten aufzäumen. Thomas, kein Elektriker, hat sich Hunderte Videos zum Thema angeschaut, sich am Ende aber doch Hilfe bei einem kleinen Hamburger Unternehmen geholt. „Wir haben mit den Jungs zusammen einen Plan gemacht. Ich habe dann alle Kabel nachträglich unter der Decke und durch die seitlichen Holme verlegt“, sagt er. Sein Tipp für jeden, der seinen Bus ausbauen will: immer genug Leerrohre verlegen, damit man, wenn man nachträglich noch etwas anschließen will, schnell und einfach Kabel durchziehen kann.

Thomas schließt die Lithium Ionen Batterie an.
High-End-Batterie: voll nutzbare 90 Amperestunden liefert die Lithium-Ionen-Batterie.

Am Ende ist es bei Thomas und Yve eine High-End-Lösung geworden, das Teuerste am Projekt mit etwa 6500 Euro Kosten nach dem Wagen selbst. Sie haben nun eine 90-Amperestunden-Lithium-Ionen-Batterie mit einem ausgeklügelten Batteriemanagementsystem, das über Bluetooth mit dem Handy überwacht und gesteuert und auch ein- und ausgeschaltet werden kann. Zudem hat Thomas zwei Solarzellen rechts und links neben den vorderen Deckenlifter gebaut, mit jeweils 120 Watt und knapp 45 Volt Maximalleistung; um im Niederstrombereich zu bleiben, durfte er sie nur parallel und nicht in Reihe schalten. „Wir brauchen viel Strom, für unsere Laptops, Kameraequipment et cetera. Wir müssen ja arbeiten können“, erklärt Thomas. „Und wenn sechs Stunden die Sonne scheint, können wir nun überall auf der Welt stehen bleiben und sind unbegrenzt autark – zumindest schon mal, was den Strom angeht.“

Text: Volker Corsten | Fotos: Yve Tacken