Ein Van fürs Leben
Yve und Thomas Tacken bauen sich einen Van aus – nicht für den Urlaub, sondern um darin zu leben. Sie bauen ohne großen Plan, Schritt für Schritt. Wenn etwas nicht passt oder gefällt, wird es wieder rausgerissen und neu gemacht. Das dauert, das nervt – aber Irrtümer gehören für sie dazu.
„Wir waren schon immer Reisende, haben beide so viele Städte und Jobs gewechselt. Von daher passt das Projekt sehr zu uns“, sagt Thomas. Er hat die vergangenen zehn Jahre bei großen Bühnenbaufirmen gearbeitet. „Ich war weg, weg, weg. Wacken, Hurricane, Rammstein-Tour … So ging das das ganze Jahr. Ich hatte zum Teil gar keine Wohnung mehr, weil ich eh nur im Hotel war.“ Für seine Frau, das war beim Heiratsantrag ihre Bedingung fürs Ja, hat er das Tourleben aufgegeben – und arbeitet seitdem als selbstständiger Industriekletterer. Windkraftanlagen bauen, Strommasten, Mobilfunkmasten, Fassadenbegutachtung. „Mir fehlt das Unterwegssein“, gibt er zu. Und freut sich – nun gemeinsam – wieder auf Tour zu gehen.
„Jeder hat zu mir gesagt: ,Du bist doch Handwerker, so ein Van-Ausbau ist für dich doch kein Problem‘“, erinnert sich Thomas. Aber bei den Maßen fing es schon an: So ein Wagen hat hundert Ecken, hundert Kanten – und kein Maß, rein gar nichts ist gerade. „Es gibt hier einfach keine 90-Grad-Winkel. Ich habe in diesem Auto daher wirklich alles, was wir gebaut haben, mindestens zweimal in der Hand gehabt. Außerdem ist mir offenbar sehr oft zwischen Messen und Sägen irgendwo ein Zentimeter verloren gegangen.“ Am Anfang hat er alle Möbel selbst gesägt, am Ende ist er auch mal mit den Maßen zum Zuschnitt im Baumarkt gegangen. Manches Lehrgeld haben sie auch gezahlt, weil sie schlauer sein wollten als andere „Vanlifer“. So haben sie etwa zunächst Klebelaminat statt – wie alle anderen – PVC verlegt. Fand Yve schöner. Löste sich sofort wieder ab. Also wieder alles raus, auch das Bett, das schon drin war. Und PVC verlegen. Den man nun, unter anderen Stoffen versteckt, gar nicht sieht.
An anderen Stellen ging das Experimentieren aber gut. Über dem Induktionskochfeld etwa, direkt hinterm Fahrersitz, haben sie große schwarze Fliesen zwischen Herd und Hängeschrank verbaut. Zu schwer, fürchteten sie zunächst. Thomas klebt sie mit Montagekleber an, nicht mit Fliesenkleber, verfugt sie mit Silikon statt Fugenmasse. Damit es hält. Drei Stunden Arbeit sind geplant, acht werden es. „Eine Schweinearbeit“, sagt Thomas. 24 Stunden den Bus nicht bewegen. Hoffen. Dann der Test. Was auf dem Kopfsteinpflaster ihrer Straße hält, das hält auch auf Tour.
Am Ende ist es bei Thomas und Yve eine High-End-Lösung geworden, das Teuerste am Projekt mit etwa 6500 Euro Kosten nach dem Wagen selbst. Sie haben nun eine 90-Amperestunden-Lithium-Ionen-Batterie mit einem ausgeklügelten Batteriemanagementsystem, das über Bluetooth mit dem Handy überwacht und gesteuert und auch ein- und ausgeschaltet werden kann. Zudem hat Thomas zwei Solarzellen rechts und links neben den vorderen Deckenlifter gebaut, mit jeweils 120 Watt und knapp 45 Volt Maximalleistung; um im Niederstrombereich zu bleiben, durfte er sie nur parallel und nicht in Reihe schalten. „Wir brauchen viel Strom, für unsere Laptops, Kameraequipment et cetera. Wir müssen ja arbeiten können“, erklärt Thomas. „Und wenn sechs Stunden die Sonne scheint, können wir nun überall auf der Welt stehen bleiben und sind unbegrenzt autark – zumindest schon mal, was den Strom angeht.“
Text: Volker Corsten | Fotos: Yve Tacken