Am Anfang war ein Unfall. Nick Poufard, damals 18, bricht sich beim Skaten in San Francisco das Schlüsselbein. Und kann monatelang nicht mehr aufs Board. „Mann, war ich gelangweilt“, erzählt er. „Vorher kannte ich kaum was anderes. Zum Zeitvertreib habe ich dann mit dem Schnitzen angefangen, erstmal einfach Löffel und so’n Zeug.“ Schnell wird er besser, beherrscht bald das Holz und die Werkzeuge. Will mehr. „Ich spiele E-Gitarre, neben dem Skaten meine zweite große Leidenschaft. Irgendwann kam ich auf den Gedanken, mein eigenes Instrument zu bauen. Die alten Skateboards von mir und meinen Buddys zu Gitarren zu verarbeiten – wie geil wäre das denn?“

Gitarren Gott verarbeitet alte Skateboards zu Gitarren

Nick Poufard

Inzwischen ist aus der Idee ein echtes Business geworden: Prisma Guitars. In seiner Firma beschäftigt Nick inzwischen seinen ersten Mitarbeiter, Michael. Gemeinsam bauen sie in einer Garage im Inner Sunset District von San Francisco meistens bis zu fünf Gitarren gleichzeitig: Liebhaber- und Sammlerstücke, jedes ein echtes Unikat, absolut klangrein. Fans legen dafür schon mehr als 3000 US-Dollar auf den Tisch. 1500 Skateboards warten im Lager von Nicks Werkstatt auf ihre Verwandlung und Wiederauferstehung. Kumpels, Skate-Shops und sogar ein paar Profi-Skater bringen ihm täglich Nachschub, bis zu 20 Bretter braucht er pro Gitarre.

Als Erstes zieht Nick das Grip-Tape ab – ein Material, das Skater für festeren Stand auf ihre Boards kleben. Lösen lässt sich das manchmal ganz gut, oft auch nur sehr mühsam, Fitzel für Fitzel. Entscheidend ist aber vor allem der nächste Schritt: Um seinen Werkstoff herzustellen, muss Nick die Bretter miteinander verbinden. „Hat ‘ne Weile gedauert, bis ich herausgefunden habe, wie das hält. Und auch noch gut aussieht“, erzählt er. Erster Versuch: Experimente mit verschiedenen Klebern, Leimen, Schraubzwingen, Stahlklammern und einer Reihe weiterer Haltewerkzeuge. Ergebnis: „Kann man machen, ist aber eine fürchterliche Schinderei, und trotzdem wird der Verbund nicht immer ideal.“

Erster Schritt: Griptape von den Decks entfernen
Erster Schritt: Griptape von den Decks entfernen

Schließlich entwickelte Nick eine eigene Laminiermaschine. Hocheffizient. Stolz zeigt er sie seinen Besuchern. Wird allerdings wortkarg, wenn man ihn fragt, wie genau das Ding funktioniert. Genial einfach sei die Maschine, aus bis zu 30 Skateboards produziere sie einen Werkstoff, der steifer und haltbarer ist als teuerste Harthölzer. Den massiven Klotz, den die Maschine gebiert, bearbeitet Nick mit einem wahren Arsenal von Werkzeugen weiter. Gut zwei Dutzend Geräte von brandneu bis steinalt, Band-, Kreis- und Kappsägen, Tisch-, Oben- und Portalfräsen, Standbohrer und Handbohrer, Hand-, Band-, Stand- und Exzenterschleifmaschinen. Nick ist ein Tool-Freak. Kann sich für seine Werkzeuge richtig begeistern. Mit seinem Maschinenpark zerspant er die Klötze aus der Laminiermaschine. Je nach gewünschter Optik entweder waagerecht, also parallel zur Schichtung der Skateboards, oder senkrecht. Anschließend werden sie in neuer Form wieder zusammengesetzt.

Garant des Erfolgs: die Laminiermaschine

Der Effekt ist, abhängig vom verwendeten Verfahren, radikal unterschiedlich. Die feinen Streifen der Skateboard-Schichten zeigen sich entweder vorne, auf der Oberfläche des Gitarren-Bodys. Oder an seiner Seite, wobei auf der flachgehobelten Vorderseite dann psychedelische Farbflächen wabern. Nick kombiniert die Techniken nach Lust und Laune. Mit äußerster Konzentration, aber auch heiterer Gelassenheit, schieben er und Michael, sein Mitarbeiter, die Stücke über- und nebeneinander, um das Design einer neuen Gitarre festzulegen. Sind die Skateboard-Stücke ausgewählt, müssen sie erneut in Form gesägt, zusammengefügt und verleimt werden. Kompliziert ist das, auch zeitaufwendig – Hersteller von Gitarren aus Vollholz kommen ohne diesen Zwischenschritt aus. Anders als bei einer Bemalung sind die Muster dafür unverwüstlich, ein fester und dauerhafter Bestandteil des Instruments.

Nick Poufard

Manche Gitarren stellt Nick ausschließlich aus Skateboards her, sie werden dann aber ziemlich schwer. Andere Instrumente baut er deshalb mit einer hohlgefrästen Rückwand aus Mahagoni. Sobald die Grundform des Korpus gefertigt ist, wird wieder gehobelt, gefräst und geschliffen. „Das Schmirgeln dauert irre lange, sechs Stunden pro Gitarre, mit Wasser und 1200er Körnung, bis alles perfekt ist.“ Nick zeigt eine fast fertiges Instrument, fährt mit dem Finger über die Kanten: „Alter, fühl mal, astrein, fehlerfrei. Jetzt muss ich nur hinbekommen, das bei jeder Gitarre so zu wiederholen. Besonders an den Rundungen, die lassen sich am schlechtesten schmirgeln.“

Alles glatt: Schleifgüte Check vor der Schlusslackierung

Sagt’s, macht sich aber auch keine großen Kopf, sieht die Sache eher entspannt, kalifornisch. Und natürlich ist Nick längst ein Routinier, auch wenn er seine Gitarren bis 2015 nur neben dem Studium – Industrial Design und Business Marketing an der San Francisco State University – gebaut hat. Seit vergangenem Jahr steht Prisma Guitars, seine Firma, jetzt im Mittelpunkt, das Business boomt. Acht verschiedene Gitarrenmodelle liefert er. Sie variieren in Form und Ausstattung, heißen „The Duke“, „Diavolo“ oder „The Syndicate“.

Fertige Gitarre

Nick Poufard

„Meine erweiterte Familie hatte mal seltsame Verbindungen mit der Mafia“, erklärt Nick, „daher die Namen, die alle an böse Jungs erinnern sollen.“ Seine Kunden stört’s nicht, Prisma Guitars ist fast immer ausverkauft. Neue Kunden landen auf einer Warteliste, die Nick und Michael gemeinsam abarbeiten. Ganz gelassen, auf die kalifornische Art. „Wie lange man warten muss? Es dauert so lange, wie es eben dauert“.

Text: Jan Dreier | Fotos: Gabor Ekecs