Immer an der Wand lang
Eines der ältesten Schaugeschäfte Europas, fast 90 Jahre alt: das Motodrom. Der Betrieb ist ein Knochenjob, der Verdienst minimal.
Eines der ältesten Schaugeschäfte Europas, fast 90 Jahre alt: das Motodrom. Der Betrieb ist ein Knochenjob, der Verdienst minimal.Im Video spricht Donald Ganslmeier über den Aufbau des Kessels, das Gefühl an der Steilwand, die Motorräder. Über Nostalgie in einem der ältesten Schaugeschäfte Deutschlands, über Leidenschaft und harte Arbeit.
2012 hat er das Motodrom gekauft. Schon als Sechsjähriger hatte es ihn fasziniert. Damals, als er an der Hand seines Opas auf dem Volksfest in seiner Heimatstadt Landshut unterwegs war – und staunte. Als er von einer einjährigen Afrikareise mit seiner Frau Nathalie zurückkam, hörte er, dass der Motodrom-Besitzer Hugo Dabbert mit seinen 75 Jahren ans Aufhören dachte. Und weil für Ganslmeier die eigene Steilwand ein großer Traum war, hat er Dabbert das ganze Ding, damals stolze 84 Jahre alt, einfach abgekauft.
Der Zustand entsprach dem Alter. „Da war immer nur geflickt und ausgebessert worden“, sagt Ganslmeier. Kurz vor Beginn des Münchner Oktoberfestes 2015 wurde sein Meisterstück fertig: der neue Kessel. Über fünf Tonnen feinste Zimmermannsarbeit. Gebaut wurde nach den Motodrom-Bauplänen von 1928, aus Tradition. Und um sich die Statikberechnungen zu sparen. Es hat sich gelohnt.
Donald Ganslmeier
Am Ende des ersten Tages steht der Kessel. Gut zehn Stunden körperliche Schwerstarbeit liegen hinter Ganslmeier, alles Handarbeit, einen Kran kann er sich nicht leisten, sagt er. Einen weiteren Tag wird es dauern, bis das Dach drauf ist, die Treppen angeschraubt sind und die „Parade“ steht, jene kleine Bühne, auf der Ganslmeier später stehen und das Publikum anlocken wird. Mit dem typischen Jahrmarkt-Singsang: „Nicht eine, nicht zwei – drei Maschinen zur gleichen Zeit, Nabe an Nabe, sie kreuzen den Weg, sie schneiden die Bahnen.“ Drei Motorräder zugleich an der Wand, das ist der aktuelle Höhepunkt der Kunst, aber „weil die Konkurrenz nicht schläft“, will er bald zu viert kreiseln. Dazu muss er eine neue, schmalere Rampe zum Auffahren bauen. Noch so ein Projekt.
Beim Aufbau des Motodroms erlebt man einen anderen Donald Ganslmeier als an der Steilwand. Da ist er ein Choleriker. Fordert viel. Weil er hohe Ansprüche hat, so hoch, dass sie außer ihm kaum einer erfüllen kann.
Donald Ganslmeier
Das Motodrom in Zahlen
- Baujahr: 1928
- Gewicht: 25 t
- Höhe Kessel: 4,90 m
- Gesamthöhe: 12 m
- Ø Kessel: 9,6 m– Ø Gesamt: 16 m
- Einzelelemente: 18
- Zuschauerplätze: 250
Donald Ganslmeier: Der Traum von der Steilwand
Christian (alias Donald) Ganslmeier alias Don Strauss kommt 1975 in einem niederbayerischen Dorf zur Welt. Seine Mutter ist gerade 16, sein Vater ist 44 und lebt mit seiner Familie ein paar Dörfer weiter. Als die junge Mutter wegen der Schande, ein uneheliches Kind zu haben, nach München zieht, bleibt der Junge bei den Großeltern. Er wird von den Dörflern gehänselt und geprügelt, vom Großvater mit strenger Hand erzogen. In Landshut auf dem Jahrmarkt zeigt er dem Sechsjährigen ein Motodrom. Der Junge fängt Feuer, das will er auch können. Mit zehn zieht er zur Mutter nach München, bleibt aber unglücklich, trinkt, prügelt sich. Der Traum vom Steilwandfahren bleibt, und so findet er in England einen Meister, der ihn das Fahren in der Wand lehrt. Nach zehn Jahren in diversen Steilwandfahrergruppen trifft er seine große Liebe und geht mit ihr für ein Jahr nach Afrika. Anschließend erfüllt er sich seinen großen Traum vom eigenen Motodrom. Ganslmeier ist Vater eines Sohnes, Vincent.
Der König und seine Königin
Die Indian Scout 101 – ein perfektes Motorrad für das Fahren an der Steilwand. Ihr Schwerpunkt liegt direkt zwischen den Achsen, außerdem lässt sie sich leicht warten und reparieren. Auf der Straße fährt Donald Ganslmeier damit nie. Um sie zu schonen. Und aus Aberglauben.
Text: Detlef Dresslein | Fotos: Sorin Morar