Jetzt oder nie: Sascha baut sich ein Insektenhotel
Gut gemeint? Absolut! Gut gemacht? Leider längst nicht immer: Beim Bau von Insektenhotels kann viel falsch laufen. Autor Sascha Borrée holt einen Experten als Unterstützung – und legt dann selbst Hand an.
Wenn ich die Wanderstiefel schnüre, dann die Wälder, Felder und Wiesen gleich hinterm Haus erkunde, wird mir in letzter Zeit manchmal so richtig bang: An Stellen, die früher saftig grün aussahen, ist es braun und kahl geworden. Wo es früher nur so summte und brummte, herrscht Stille.
Da muss ich gar nicht erst Zeitung lesen, da weiß ich auch so: Hier stimmt was nicht, es steht nicht gut um unsere Natur! Und jetzt? Will ich aktiv werden, ich will etwas tun. Nur was? Die Welt, so viel ist mir dann doch klar, werde ich im Alleingang nicht retten können. Aber vielleicht ein paar Bienen bei mir im Garten. Vielleicht baue ich eines dieser Insektenhotels, von denen man jetzt immer hört. Aber wie geht das eigentlich? Wie funktionieren die? Und ist den Bienen damit wirklich geholfen?
Insektenhotels sind eine super Sache – wenn man ein paar gängige Fehler vermeidet."
Michail Schütte
„Insektenhotels sind eine super Sache, um erst mal aktiv zu werden und dann tiefer ins Thema einzusteigen“, sagt Michail Schütte, Mitarbeiter beim Naturum Göhrde, einem Wald- und Naturmuseum bei Lüneburg. „Sie werden aber nur von bestimmten Bienenarten angenommen, ersetzen deshalb keinen bienen- oder insektengerechten Garten.“ Und man könne beim Bau so manches falsch machen, warnt der Waldpädagoge. Das fängt schon bei der Wahl der Materialien an. Man kann zum Beispiel auf übrig gebliebene Baustoffe zurückgreifen, muss dann aber hier und da gut aufpassen. Im schlimmsten Fall verletzen sich die Bienen ihre Flügel an scharfen Kanten oder Splittern – und die gut gemeinten Nist- und Rückzugsorte werden zur Todesfalle. Ich bin ein bisschen erschrocken, will mein Vorhaben fast schon wieder aufgeben. Aber zum Glück ist da noch Michail: „Kein Problem. Ich zeig Dir, wie man’s richtig macht“, verspricht er.
1. Alte Schule: Vorarbeit mit Beil und Hobel
Zuerst brauchen die Bienen ein Dach überm Kopf. Und wie bei echten Hotels: Bevor das hübsche Interieur drankommt, muss das Gebäude stehen. Michail, der nicht nur als Waldpädagoge, sondern auch als Holzbildhauer und Grünholzhandwerker arbeitet, hat noch eine Menge Schnittholz auf seinem Hof herumliegen. Wir suchen Hölzer in passender Größe raus, zeichnen die Umrisse für Rückwand und Seitenwände, Boden- und Dachplatten auf. Dann geht es gleich ans Zuschneiden. Also, wo ist die Stichsäge? „Lass uns mal sehen, ob wir das mit Handwerkzeugen nicht genauso gut hinbekommen“, sagt Michail. Ernsthaft? Er lächelt, nickt, reicht mir einen Fuchsschwanz. Ich lächele zurück, auch wenn es in mir ein bisschen grummelt. Muss das sein? Muss wohl. Ich mache mich ans Werk, länge die Bretter erst mal ab, nutze dann Beil, Zugmesser und Hobel, um die Seiten gerade und glatt zu bekommen. Stichsäge einschalten und ab durch die Mitte? So läuft das leider nicht. Hier muss ich genau hinschauen, die Maserung lesen, mit ihr arbeiten. Ich begutachte die Holzstruktur, die geschwungenen Formen, fühle sie unter meinen Händen. Bald stelle ich erstaunt fest, dass mein missmutiges Grummeln verschwunden und freudigem Vibrieren gewichen ist.
2. Hausbau: Insekten-Immobilie
Jetzt kommt zusammen, was zusammen gehört: Wand-, Dach- und Bodenbretter sollen fest miteinander verschraubt werden. Michail setzt Bleistiftkreise und -kreuze, hier muss ich gleich die Schrauben versenken. Leicht besorgt blicke ich auf seine Werkzeugkiste, in der neben Beil und Hobel auch ein alter Handbohrer liegt. Schon der Gedanke, damit gleich mehrere Dutzend Löcher ins Holz zu drehen, sorgt bei mir für Ziehen im Handgelenk. „Keine Sorge“, sagt Michail, der meinen Blick wohl bemerkt hat. „Wir müssen uns die Sache nicht unnötig schwer machen.“ Er hält mir einen Akkubohrer hin, ich greife dankbar zu – und lege los. Binnen fünf Minuten sind sämtliche Löcher gebohrt. Den Handbohrer nutze ich nur zum Versenken, 15 Minuten später drehe ich die letzte Schraube rein. Ich trete zwei Schritte zurück, betrachte das fertig montierte Insektenhotel: sieht gut aus!
3. Schön gemütlich: Jetzt geht’s ans Eingemachte
Das Hotelgebäude steht schon mal. Aber wie mache ich es den Insekten jetzt gemütlich? „Einige Insekten mögen Stroh, bestimmte Wildbienen bevorzugen Bambus“, erklärt Michail, „andere Bienen nisten am liebsten in Holz, wieder andere in Lehm.“ Wer möglichst vielen Arten eine Heimat bieten will, sollte also verschiedene Baustoffe verwenden. Oft lassen sich dabei auch Materialreste nutzen. Doch bei Auswahl und Bearbeitung gilt es, ein paar übliche Fehler zu vermeiden: Regelrecht lebensgefährlich, so Michail, werden scharfe Sägekanten, etwa an Bambusrohren: „Die können in die zarten Bienenflügel schneiden, müssen also mit Schleifpapier abgestumpft werden.“ Harm- aber leider auch nutzlos seien Schneckenhäuser. Bestimmte Bienenarten nehmen die Gehäuse zwar an, aber nur, so lange diese am Boden liegen. Im Insektenhotel dienen sie höchstens zur Dekoration. Gleiches gilt für Tannenzapfen, meist auch für Ziegelsteine mit Hohlräumen. Michail: „Deren Löcher sind viel zu groß, da nistet keine Biene. Man kann aber Stroh oder Bambus reinstecken, dann ergibt das Sinn.“
4. Schön gemütlich: Jetzt geht’s ans Eingemachte
Legen wir los! Stroh und Bambus beschneiden, Kanten schleifen, dann den Baustoff regengeschützt in bodenlosen Blechdosen oder Ziegelsteinen unterbringen. Letztere dienten früher als Mauerwerk im alten Schweinestall auf Michails Hof, im Insektenhotel finden sie nun neue Verwendung. Aus der Stallmauer stammen auch die Lehmbrocken, die ich jetzt mit einem Schaufelblatt zerhacke und in Wasser löse. Bevor ich den Lehm in die untere Hoteletage gieße, rühre ich noch etwas Sand ein. „Es kommt auf die Konsistenz an“, mahnt Michail, „die Bienen graben die Löcher selbst, der Lehm muss dafür weich genug sein.“ Zum Schluss statten wir unser Insektenhotel mit Holzmobiliar aus. „Insekten lieben Totholz, also das Holz abgestorbener Bäume“, erklärt der Waldpädagoge. „Früher blieben solche Bäume einfach liegen, heute werden sie von Forst- oder Gartenbesitzern oft weggeräumt. Dadurch fehlt Insekten wichtiger Lebensraum.“ Michail zeigt mir ein paar Holzstücke, deutet auf weiß verfärbte Stellen: „Perfekt ist totes Holz, das schon eine Weile liegt und von der Weißfäule befallen ist.“ Wer nicht genug Totholz hat, kann auch geerntetes und getrocknetes Hartholz verwenden. „Da muss man Löcher vorbohren“, erklärt Michail, „aber nie parallel, sondern immer im 90-Grad-Winkel zur Maserung. Sonst wird das Holz rissig, lässt Pilze und Parasiten eindringen.“ Ungeeignet sind weiche Nadelhölzer, hier splittern die Bohrlöcher scharf. Wie gut, dass ich Michail habe! Ich bohre, lausche, sauge sein Wissen regelrecht auf – und passe schließlich das letzte Holzstück ins Hotel ein.
5. Standortwahl: Lage, Lage, Lage
Jetzt müssen wir unser Werk nur noch aufstellen. Aber wo? Wie bei echten Hotels gilt auch hier: Über den Erfolg entscheidet vor allem der Standort! „Bienen lieben es warm und sonnig“, erklärt Michail. „Insektenhotels sollten immer nach Süden ausgerichtet sein. Sie brauchen festen Halt, dürfen also nicht auf eine wacklige Ständerkonstruktion montiert werden.“ Schwankt die neue Heimat beim ersten stärkeren Wind hin und her, ziehen die empfindlichen Bienen gleich wieder aus. Gemeinsam mit Michail suche ich den perfekten Platz, finde ihn schließlich an der Hauswand.
Ich bewundere mein Werk, stelle mich daneben, will auf die ersten Bewohner warten. „Das kann dauern“, sagt Michail lachend. „Wie wär’s, wenn Du die Zeit bis dahin sinnvoll nutzt?“ Klar, sowieso. Was gibt’s denn noch zu tun?
„Insektenhotels sind super, aber nur ein erster Schritt“, sagt er Waldpädagoge, „sie können keinen insektenfreundlichen Garten ersetzen.“ Er erklärt, wie wichtig es ist, mit einem durchdachten Mix von Blumen, Büschen und Bäumen für pausenlose Blütenpracht von Frühjahr bis Spätherbst zu sorgen, damit Insekten genügend Nahrung finden. Sein Rat: Flächen teilweise verwildern zu lassen, um Lebensraum zu schaffen auch für die vielen Bienen-, Käfer- und Schmetterlingsarten, die sich in Insektenhotels nie wohlfühlen würden. Ich lausche, ich nicke. Und denke mir: Recht hat er, das war erst der Anfang! Jetzt geht es weiter. Gleich morgen gestalte ich den ganzen Garten um. Schaffe Insektenrestaurants, Bienenweiden, neue Nistplätze – und damit ein echtes Insektenparadies.
Text: Sascha Borrée | Fotos: Lucas Wahl
Selber machen!
Wer jetzt selbst Hand anlegen und ein eigenes Insektenhotel bauen will, findet viele Infos bei der Umweltorganisation Nabu. Kurse für Grünholzbearbeitung mit Handwerkzeugen gibt Michail Schütte in der Göhrde, Norddeutschlands größtem Mischwaldgebiet bei Lüneburg. Wald und Wildnis erleben kann man auch bei Michails Arbeitgeber, dem Waldmuseum Naturum Göhrde.