Jetzt oder nie: Sascha baut sich einen Bumerang
Er fliegt und fliegt und fliegt – und kehrt mit elegantem Schwung zum Werfer zurück: Unser Autor Sascha Borrée ist seit Kindertagen fasziniert von Bumerangs und ihrem eigentümlichen Flugverhalten und beschließt, so ein Wunderding mal selbst zu bauen.
Mal ehrlich: Die meisten unserer Träume haben wir längst verdrängt. Vor allem die aus ganz frühen Tagen, als wir mit kurzen Hosen und aufgeschürften Knien durch die Straßen tobten: die Welt erobern, üble Schurken besiegen, Piratenschätze bergen … Damals waren wir noch viel zu klein für sowas. Heute sind wir groß genug, aber viel zu beschäftigt. Wir spüren sie nur noch selten, diese alte, kribbelnde Sehnsucht.
Mein liebster Traum vom wilden Leben sah mich, bekleidet nur mit Lendenschurz, den Körper bemalt mit farbiger Erde, ausgestattet mit – na klar – einem Bumerang. Bevor ich die Erinnerung wegschieben kann, beschließt diesmal irgendetwas in mir, endlich wieder ‘Hier!’ antworten, wenn das Abenteuer ruft.
Mit einer guten Anleitung und dem richtigen Werkzeug schafft das jeder!"
Winfried Gorny
Eine Fernreise ist gerade echt nicht drin und ein Lendenschurz wäre hierzulande wohl wenig gesellschaftsfähig. Aber ein Bumerang, der müsste sich doch beschaffen lassen. Oder, besser noch: Ich baue ihn selbst! Ich melde mich bei Winfried Gorny an, in der Szene besser bekannt als „Bumerang-Papst“. Winfried ist der Mann, der den Hölzern das Fliegen beibringt. Und mir das Bumerangbauen. „Mit einer guten Anleitung und dem richtigen Werkzeug schafft das jeder“, sagt Winfried. Großartig, es kann dann losgehen!
1. Welcher soll's denn sein?
„Nicht so schnell“, bremst Winfried. „Welchen Bumerang willst du denn bauen?“ Gute Frage! Winfrieds Haus in Hamburg-Bramfeld ist voll von Wurfhölzern aller Art. Neben den bekannten, V-förmigen Zweiflüglern baut er Dreiflügler, die eher an Helikopter-Propeller erinnern. „Die sind leichter zu werfen, deshalb als Sportgerät beliebt“, meint Winfried, während er mir sein Sortiment zeigt: ganz gerade, eher krumme, auch total asymmetrische Bumerangs. Manche mit vier Flügeln, andere fast schon U- oder W-förmig. „Die fliegen?“, frage ich. „Und wie!“, antwortet der Bumerang-Papst. „Die kommen sogar zurück.“ Ich entscheide mich für den Klassiker, den schlichten Zweiflügler. Winfried sucht das entsprechende Bumerangmodell raus, lässt mich dessen Umrisse auf einer Holzplatte nachzeichnen. Spricht dabei über die Wahl des richtigen Materials. Gut geeignet, weil biegsam und gleichzeitig fest: finnisches Birkensperrholz, am besten aus acht Schichten. Dicke: vier Millimeter.
2. Ran an die Säge
Bis hierhin bin ich ganz zufrieden: Sieht doch sehr nach Bumerang aus, was ich da aufs Birkenholz gezeichnet habe. Also weiter, an die Säge! Mit einer einfachen Laubsäge würde man hier schon gut klarkommen, mit Winfrieds Stichsäge geht es erheblich schneller. Theoretisch jedenfalls. In der Praxis kriege ich die Kurve nicht, verschneide die Platte an der inneren Krümmung des Bumerangs. Kein Drama, Holz gibt’s hier genug – beim nächsten Versuch klappt’s einwandfrei.
3. Auf das richtige Profil kommt es an
Die Form stimmt, flugfähig ist der Bumerang-Rohling aber noch längst nicht: Seine Flügelkanten brauchen ein Profil, sie unterscheiden sich da im Prinzip nicht von Flugzeugflügeln. Wie das genau aussieht, zeigt Winfried an seinem fertigen Modell: ein flaches, breites Profil an der rechten Innen- und linken Außenkante. Links innen und rechts außen wird dann eher steil und schmal profiliert. Ich arbeite mit einer Metallfeile und kann dank der Schichten im Sperrholz immer gut erkennen, wie weit ich schon bin. Zum Schluss glätte ich den Bumerang mit Schleifpapier.
4. Testflug und Wurf-Nachhilfe
Alles richtig gemacht? Jetzt schlägt die Stunde der Wahrheit. Raus auf die Wiese, weg mit dem Bumerang. Kommt er zurück? Von wegen, das Ding fliegt schnurgeradeaus. Was aber, wie mir Winfried versichert, weniger an meinen mangelnden Fähigkeiten als Bumerangbauer liegt. Mehr an meiner Wurftechnik. „Du darfst den Bumerang beim Abwurf nicht senkrecht halten, sondern musst ihn nach außen neigen“, erklärt er. Ich werfe wieder, dieses Mal dreht sich der Bumerang tatsächlich nach links ein, fliegt immerhin einen halben Bogen. Schon nicht schlecht, denke ich mir. Aber klar: Da geht bestimmt noch mehr …
5. Nachjustieren mit der Feile und in Öl baden
Ich feile letzte Details nach, kümmere mich schließlich um die Optik. Winfried lackiert seine Werke zwar gern mit wilden, grellbunten Mustern. Zu meinem Outback-Traum passt aber der schlichte Holz-Look besser. Also tunke ich den fertigen Bumerang nur noch in Naturharz-Hartöl.
Später stehe ich im Hamburger Stadtpark. Mein geistiges Auge gibt sich größte Mühe, statt sattgrüner Wiese eine staubige, karge Wüstenlandschaft zu sehen. Die anderen Leute im Park werden zu Aborigines, die streunenden Hunde zu Kängurus. Ich werfe und werfe. Und übe so lange, bis sich der Kreis endlich schließt, der Bumerang sanft in meinen Händen landet – und mein kleines, großes Jungsherz freudig auf und ab hüpft.
Text: Sascha Borée | Fotos: Lucas Wahl
Auch einen Bumerang bauen?
Anleitungen für Wurfhölzer in den verschiedensten Formen gibt’s im Internet, etwa bei das-bumerang-projekt.de.