Pah. 154 Stundenkilometer! Mit einem Rodelschlitten. In der Spitze. Geschafft hat dieses Tempo – Weltrekord – bisher nur einer: Manuel Pfister, österreichischer Olympionike, bei der Vorbereitung auf die Olympischen Winterspiele 2010.

154 Sachen? Die meisten Leute bringt das zum Staunen. Mich aber nur zu einem müden Lächeln. Ich selbst habe jede Menge Erfahrung als Rennrodler, gesammelt schon in frühen Kindertagen. Und ich bin mir sicher: Schon lange vor Pfisters Bestleistung habe ich auf den Hügeln meiner Heimat ähnliche Geschwindigkeiten erreicht, mindestens. Gefühlt jedenfalls. Gemessen hat das leider keiner. Weshalb mir heute auch niemand mehr glaubt.

Sascha Borreé

Bald, am 9. Februar 2018, starten die Olympischen Winterspiele in Südkorea. Nein, ich habe mich nicht um die Qualifikation bemüht. Ich will die Spiele aber zum Anlass nehmen, den Ungläubigen im Freundeskreis endlich meine Rodler-Fähigkeiten zu beweisen. Dass ich schon länger auf keinem Schlitten mehr gesessen habe, bremst meinen Drang kein bisschen. Rodeln verlernt man schließlich genauso wenig wie Radfahren.

Was ich aber brauche: einen amtlichen Pistenhobel. Keinen Schlitten von der Stange. Ich habe schließlich echte sportliche Ambitionen. Die Sache ist klar: Ich baue mein Sportgerät selbst. Und zwar bei Klaus Flegel, Mitinhaber der Werkstatt Holzhilfe in Dresden. Klaus weiß, wie man Schlitten tischlert, die an schnittige Bobs erinnern. „Und sie sind auch noch schneller gebaut als handelsübliche Hörnerschlitten“, erklärt er. Klingt gut. Geschwindigkeit ist ja entscheidend.

Sascha Borreé macht sich Notizen beim Bauplan für den Schlitten.

Klaus hat bereits einen Bauplan gezeichnet. Der Mann ist Profi, Kurse im Schlittenbau gibt er seit Jahren. „Für unser Modell braucht man zwei Seitenteile, die sägen wir als Erstes zu“, sagt er. Der wichtigste Unterschied zu den bekannten Hörnerschlitten: Klaus’ Prachtstücke werden aus Holzplatten, nicht aus geschwungenen Holzstreben hergestellt. Denn um die Streben entsprechend zu biegen, muss man sie dämpfen. Und anschließend lange trocknen. Ein aufwendiger Prozess, der Wochen dauern kann. Wir aber wollen heute fertig werden. Ich übertrage die Umrisse der Seitenteile von Klaus’ Schablone per Bleistift auf die Holzplatte – und säge sie aus. Da das mit Handkreis- und Stichsäge nicht ganz präzise geht, lasse ich etwas Spiel zur Linie. Anschließend schraube ich die Schablone auf meine grob zugesägten Seitenteile und arbeite sorgfältig mit einer Tischfräse nach.
Tatsächlich: Die Teile nehmen Gestalt an, sehen schon schnittig aus.

Sascha Borreé und Klaus Flegel planen den Bau des Schlittens.

Was wir jetzt noch brauchen: drei Querbalken und vier Sitzbretter. Die Querbalken sägen wir aus dem gleichen Holz wie die Seitenteile, einer 22 Millimeter dicken Birken-Multiplexplatte. Für die Sitzbretter nutzen wir eine acht Millimeter dicke Siebdruckplatte. „Die raue Oberfläche sorgt für Grip, verhindert also, dass man nachher vom Schlitten runterrutscht und im Schnee landet“, sagt Klaus. Prima, der Mann denkt mit. Und er hat auch schon Latten aus der Siebdruckplatte gesägt. Ich muss sie nur noch auf Länge bringen und ihre Enden abschrägen – mit Klaus’ Kappsäge kein Problem.

Sascha Borreé bereitet das Holz für den Schlitten vor.

Alle Bauteile fertig? Ja. Äh, nein: Das Ganze geht noch viel hübscher. Mit der Handfräse runde ich die scharfen Kanten ab, mit Schleifklotz und -maschine arbeite ich nach. Auch die Oberflächen der beiden Seitenteile werden abgeschliffen. Der Schlitten muss ja windschnittig werden, da zählt jede Feinheit.

Sascha Borreé fräst und schleift die Kanten vom Schlitten.

Bevor es endlich an die Montage geht, sehe ich mir auf dem Bauplan die Positionen für die Dübellöcher an. Ich zeichne die Stellen an, dann wird gebohrt. Jetzt noch Holzstaub aus den Löchern pusten, ein paar Tropfen Leim rein, schließlich die Dübel hineindrücken. Zum Aushärten werden die Teile nach dem Zusammenstecken mit Schraubzwingen fixiert. Und ich muss erst mal warten …

Sascha Borreé und Klaus Flegel leimen die Einzelteile vom Schlitten und fixieren die Einzelteile zum Aushärten mit Schraubzwingen.

Zum Glück nicht lange! Nach einer Stunde an der Heizung ist der Leim fast trocken. Klaus und ich nehmen die Schraubzwingen ab, dann entferne ich letzte Leimreste. Mein Werk sieht schon fast wie ein echter Schlitten aus. Was fehlt? Klar, die Sitzbretter. Auflegen, anschrauben. Nach dem gleichen Prinzip montiere ich die Metallkufen.

Sascha Borreé bohrt die Sitzfläche und Kufen an seinen Schlitten.

Endlich fertig? Ich schaue Klaus fragend an. Na ja, fast: „Um den Schlitten winterfest zu machen, musst Du ihm zwei, drei Schichten Lack spendieren“, sagt Klaus. „Das dauert etwas, geht aber ohne Werkstatt. Das bekommst Du locker zu Hause hin.“

Sascha Borreé hält den fertigen Schlitten in seiner Werkstatt in den Händen.

Okay, lackiert wird heute nicht mehr. Und gerodelt auch nicht, dafür fehlt leider gerade der Schnee. Ob mit meinem Pistenhobel Marke Eigenbau Geschwindigkeitsrekorde drin sind? Ich bin fest davon überzeugt. Und für den äußerst unwahrscheinlichen Fall, dass ich den Affenzahn vom Pfister doch nicht brechen sollte, tröste ich mich mit meinem persönlichen olympischen Motto: Selber bauen ist alles.

Text: Sascha Borrée | Fotos: Lucas Wahl