Jetzt oder nie: Sascha schmiedet ein Beil
Ein Mann ohne Beil? Eine traurige Figur, findet unser Autor Sascha Borrée, und nimmt sich vor, selbst eins zu schmieden. Mit Schweiß, Schmerz – und am Ende auch Stolz.
Der Schweiß: rinnt von meiner Stirn. Der Stahl: heiß wie ein Tanz auf dem Vulkan. Ich tanze aber nicht, stattdessen schmiede ich. Keine Axt, kein Messer. Ein anderes Werkzeug soll es werden. Ein Beil. Dafür schwinge ich den Hammer, komme mir vor wie Thor, der germanische Donnergott. Nur Schmiedemeister Nico sieht mich nicht ganz so heldenhaft. Bei ihm absolviere ich heute einen Schmiedekurs. „Mensch, hau mal richtig drauf auf den Stahl“, motzt er, „damit du ihn formen kannst wie Knete.“
Wie Knete? So fühlt sich jetzt höchstens meine Oberarmmuskulatur an. Egal, ich hämmere. Hoffe, dass der Stahl schnell ausglüht. Dann muss er zurück ins Feuer. Und ich kann ausschnaufen, kurz. Ich bin schon gespannt, wie es gleich weiter geht in meinem Schmiedekurs.
Hau mal richtig drauf auf den Stahl!“
Nico Runge, Schmied
Zugegeben, heute ist das Beil etwas aus der Mode gekommen, jedenfalls als praktischer Begleiter im Alltag. Trotzdem, ein Mann ohne Beil? Irgendwie unvollkommen. Deshalb bin ich hier, bei Nico Runge in Bruchsal bei Karlsruhe. Nico kann das noch: Messer, Pfannen, Hämmer oder Schwerter herstellen – oder eben Beile. Per Hand. Echtes Handwerk eben. Und er will es mir beibringen. Meine Einführung ins Schmiedehandwerk per Crash-Kurs. Also Kohle ins Feuer, und los!
1. Ab in die Schmiede: Der Stahl muss ins Feuer
Der Anfang von allem: ein Quader aus Stahl. Da muss erst mal ein Auge rein. Das Loch für den Holzstiel. Also Position bestimmen und beidseitig einkerben. Stahl ins Feuer schieben, mit einer Art Grillzange für Großwild, bis er hellgelb glüht, bei rund 1000, 1100 Grad Celsius. Rausholen, markierte Stelle finden, Meißel ansetzen, fest draufhauen. Absetzen. Gut getroffen? Wunderbar, dann weiter so. Sonst: mit dem nächsten Schlag korrigieren. „Wenn das Auge schief wird, kannst du dein Werkstück vergessen“, sagt Nico.
2. Feuer und Muskeln: Immer Draufhauen
Zwei Zentimeter dick ist der Quader. An einem Ende ist jetzt ein Auge drin, aus dem anderen muss ich die Schneide schmieden. Zum Verständnis: Die Schneide ist der geschärfte Teil der Klinge. Der Schliff der Schneide hat Einfluss auf die Schärfe und Lebensdauer meines Werkstücks. Also gilt auch in diesem Arbeitsgang meines Schmiedekurses: draufhauen, bis das Ende breit und flach wird. Das Werkstück wandert dafür zurück ins Feuer, glüht gleich wieder auf. Raus damit, zuschlagen. Mit der Bahn, der dicken Seite des Hammerkopfs, lasse ich den Stahl in die Länge gehen. Ein Hieb mit der Finne, der schmalen Seite, treibt ihn in die Breite. Meine Muskeln brennen, Nico schüttelt den Kopf. „Wir brauchen ein anderes Werkzeug.“
Schmied Nico hält mir einen riesigen Vorschlaghammer hin und greift selbst nach einem Handhammer, den er am glühenden Stahl aufsetzt. „Dein Hammer schlägt meinen, na los!“ Ich fühle mich schon wie Thor. Fast.
3. Stunde um Stunde: Stahl härtet ab
Irgendwann sieht mein Metallstück tatsächlich einem Beilkopf täuschend ähnlich. Damit der Stahl wirklich was aushält, wird er gehärtet und angelassen. Bedeutet: Stahl wieder aufheizen, im Wasser-/Ölbad abschrecken. Das Ganze anschließend ein paar Mal wiederholen. Dann ist mein Beil ausgeschmiedet. Ich fühl mich schon jetzt wie ein richtiger Profi. Und mein Schmiedekurs ist noch lange nicht vorbei.
4. Fast fertig geschmiedet: Wenn’s um den Stiel geht
Wie halte ich das messerscharfe Teil jetzt fest? Es fehlt noch der Griff. Kursleiter Nico hält mir eine Holzstange hin. Etwas zu dick ist sie. Also: Schleifmaschine anwerfen. Minuten später passt alles. Mit ein paar Hammer-Hieben treibe ich den Stiel durchs Auge. Keil und Metallring rein, passt.
5. Das Lernen nimmt kein Ende: Nach dem Schmieden ist vor dem Schmieden
Fertig? Fast. Denn die Schneide ist noch stumpf wie eine Spielzeugschere. Wieder an die Schleifmaschine. Funken sprühen, bald glänzt die Schneide silbrig. Probe aufs Exempel, wie gefährlich ist das Ding? Schärfer als ein Messer? „Damit kannst du dich blitzeblank rasieren“, meint Nico. Und hat recht, das zeigt der Test am Unterarm. Aber was soll ich jetzt eigentlich machen mit dem guten Stück? Bisher bin ich ja auch ohne klargekommen. War am Ende unsere harte Arbeit in der Schmiede umsonst, wird das Teil als Wand-Design enden? Auf keinen Fall! So ein Beil verpflichtet, es will verwendet werden. Wozu genau? Man wird schon sehen. Und wenn ich mir damit den Bart abnehme…
Axt oder Beil: Das richtige Werkzeug finden
Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Äxten und Beilen? Beile haben einen kurzen Stiel, nur rund halb so lang wie bei Äxten. Durch den kürzeren Hebel werden sie für präzisere und feinere Arbeiten eingesetzt, zum Beispiel um Holz in geringen Mengen oder kleinere Holzstücke zu zerteilen. Man benutzt sie einhändig.
Der Stiel der Axt ist doppelt so lang, um sie mit zwei Händen umgreifen zu können und so weiter ausholen und kraftvoller zuschlagen zu können. Außerdem ist die Klinge von Äxten meist auf beiden Seiten angeschliffen, sodass sie leichter in die Holzfasern eindringen kann. Die Axt wird meist zum Spalten größerer Hölzer oder zum Baum fällen eingesetzt.
Text: Sascha Borée | Fotos: Lucas Wahl
Lust auf einen individuellen Schmiedekurs?
Ob Thor-Hammer, Beil, Damast-Messer, Schwert oder Axt selbst schmieden? Das alles geht zum Beispiel in einem Kurs von Schmiedemeister Nico Runge. Eintägige Grundkurse gibt es ab 90 Euro, dreitägige Kurse im Freihandschmieden ab 360 Euro. Dort bekommt man Tipps und Schritt-für-Schritt-Anleitungen zu allen wichtigen Techniken des Schmiedens wie Breiten, Strecken, Lochen, Spalten, Biegen, Nieten, Ausschmieden, Härten und einfachen Feuerschweißungen.