Klingt zu gut für den Müll
Aus alten Treppenstufen, ausgedienten Zigarrenkisten und kaputten Skateboards baut Jan Klingenberg E-Gitarren. Je schräger der Look, desto besser.
Am Computer zeigt Jan, wie er zunächst dreidimensionale Skizzen anfertigt. Mit dem Cursor fährt er über den Bildschirm, montiert auf seinen Skizzen virtuell Teile an und wieder ab - so lange, bis ihm sein Plan gefällt. Für einen Laien wirkt das sehr professionell - und das ist es auch: „Die Software ist komplex, aber ich habe während meines Studiums schon mit ähnlicher Software gearbeitet, daher konnte ich es mir ganz gut aneignen.“ Steht die Skizze, sägt Jan aus Sperr- oder Restholz eine Schablone aus und überträgt die Formen auf das Rohmaterial seiner Wahl.
Wenn der Gitarrenhals ausgesägt und gefräst ist, folgt der nächste Arbeitsschritt: Für die Bünde legt er den Bunddraht auf das Griffbrett und presst ihn mit der Handhebelpresse in den Bundschlitz. Dabei muss er die Bünde auf einen halben Millimeter genau auf den Hals kriegen, sonst stimmt der Ton hinterher nicht mehr: „Man muss schon sehr genau arbeiten, aber man braucht kein Studium dafür. Ein paar musikalische Basics auf der Gitarre sollte man aber schon mitbringen, sonst fehlt das Verständnis für dieses Handwerk.“ Sobald die Bünde auf dem Hals ihren Platz gefunden haben, kommt ein Tropfen Sekundenkleber auf die Enden der Bundstäbchen, damit nichts verrutscht. Eine ruhige Hand braucht es da. „Wenn auch nur ein kleiner Tropfen Sekundenkleber auf das Griffbrett gelangt, ist es hin.“
Dann rundet Jan die Bünde einzeln mit der Feile von Hand ab. Es geht voran. Jan liebt diesen Entstehungsprozess. So sehr, dass er sogar etwas zu trödeln beginnt: „Ich nenne das die Angst vor dem Fertigwerden. Deshalb zögere ich es gerne hinaus.“ Die Bünde sind nun bündig, aber die Kanten noch scharf. Er feilt mit dem Schleifklotz. Jeder Handgriff sitzt.
Im nächsten Schritt geht es an die selbstgebaute CNC-Fräse. Sie hat extra eine Vorrichtung, mit der er gleich zwei Gitarrenhälse auf einmal fräsen kann. Heute spannt er aber nur einen Gitarrenhals ein, fräst Löcher für die Mechanik in die Kopfplatte und kleine Löcher für die Side Dots, die auf den Bünden und der Halsrückseite die Tonlagen markieren.
Dann kommt die Zigarrenkiste ins Spiel. Die F-Löcher und die Öffnungen für die Elektronik hat Jan schon gefräst. Jetzt leimt er den Halsblock an. Dann fehlen nur noch die Stahlsaiten und das Instrument ist fertig. Ob er Gitarren lieber baut oder spielt? Die Antwort folgt prompt: „Bauen.“ Wenn er wütend ist oder gestresst, bleibt er dem Keller lieber fern - denn dann passieren schnell Fehler. „Ab und an passiert es trotzdem, dass ich ein besonders schönes Holz versaue, indem ich es falsch fräse. Solche Misserfolge sind für mich immer wieder eine Herausforderung. Dann lege ich das Holz ein paar Wochen weg und mit etwas Abstand baue ich dann später daran weiter und bin ich auf das Resultat am Ende doch stolz.“
Ein Business aufbauen möchte er mit seinen Einzelstücken nicht. Wichtiger ist ihm, mit Formen und Farben zu experimentieren, Abläufe zu überdenken und die Lösungssuche auszukosten. Der schönste Moment für ihn als Gitarrenbauer ist es, wenn ein guter Musiker eine Gitarre von ihm ausprobiert. „Ich schaffe gerne etwas mit meinen Händen, was individuell ist und über mich hinausgeht. Wenn ich einmal nicht mehr da bin, wird diese Begeisterung von mir bleiben.“ Er entlockt der 90 Zentimeter langen, schwarzen Cigar-Box-Gitarre ein paar Takte und statt der Säge schallt nun feinster Blues aus dem Keller.
Text: Tanja Schuhbauer | Fotos: Philip Frowein