Lars Mytting: Ganz einfach: Ich brauche Brennholz, damit meine Familie im Winter nicht frieren muss.

Benutzen wir kaum. Ein Heizkörper wärmt nur die Luft im Zimmer. Ein Holzfeuer ist lebendige Wärme.

Holzfeuerung gilt heute als grüne Energiequelle. Bäume binden zwar klimaschädliches Kohlendioxid, aber das CO2 muss irgendwann wieder entweichen. Ob wir den Baum irgendwann natürlich verrotten lassen oder im Ofen verbrennen, macht keinen Unterschied – die CO2-Emission ist gleich hoch. Aber natürlich müssen sich Verbrauch und Nachwachsen des Rohstoffs Holz die Waage halten.

Das kam durch die Arbeit an meinem Buch Der Mann und das Holz. Ich bin losgezogen und habe mit Holzfällern, Forstwirten und Wissenschaftlern gesprochen. Mir von ihnen Tipps geben lassen. Und irgendwann alles selber gemacht.

Das war, als mein Nachbar Ottar schwer krank wurde. Obwohl er sehr geschwächt war, stapelte er mit rasselndem Atem im Frühling die Scheite. Die Arbeit strengte ihn erst an, dann gab sie ihm aber Energie und Kraft zurück. Jeden Tag sah er ein wenig besser aus. Und ich erkannte: Mit Holz zu arbeiten tut Menschen einfach gut.

Gegenfrage: Hast Du Kinder?

Ich habe zwei Töchter, und Kinder könnten eine Erklärung sein: Männer interessieren sich meist zwischen 30 und 40 Jahren fürs Holzhacken – in einem Alter, in dem sie Familien gründen und Versorgen eine Rolle spielt. Ihr Interesse nimmt nicht ab, bevor sie die 70 erreicht haben. Das hat eine Studie von schwedischen Agrarwissenschaftlern gezeigt. Am höchsten ist das Interesse am Holzmachen übrigens im Renteneintrittsalter: Rentner haben Zeit und brauchen eine sinnvolle Aufgabe.

Beim Holzhacken unterscheiden wir uns nicht vom Urmenschen. Wir lassen rohe Kräfte walten. Ist ein Klotz gespalten, ist er gespalten. Man kann nichts rückgängig oder besser machen. Diese Art Seelenfrieden erlebt man im Berufsalltag kaum. Ein Bekannter hat es auf den Punkt gebracht. Er sagte: Oft grüble ich nach Feierabend über den Tag im Büro, was ich in diesem oder jenem Meeting hätte sagen sollen. Nur beim Holzhacken ist mein Kopf so angenehm leer.

Hier sind eher Ausdauer und Verstand gefragt. Jeder Stapel sagt einiges über das Wesen seines Erbauers aus. Im amerikanischen Bundesstaat Maine war es im 19. Jahrhundert sogar üblich, dass junge Frauen potentielle Ehemänner anhand ihrer Holzstapel auswählten.

Laut einem Zeitungsartikel von damals sind gute Ehemänner jene, die solide und gewissenhaft auftürmen. Vorsicht aber vor denen mit unnatürlich hohen Stapeln: Die gelten als überambitioniert, Einsturzgefahr nehmen sie in allen Lebenslagen in Kauf. Wer grobe Scheite stapelt, soll auch nicht besser sein: Er will alles auf einmal, ist waghalsig. Als am schlimmsten gelten die Typen mit den halbfertigen Stapeln: unstet, faul, versoffen oder alles zugleich.

Für ein Kamin- oder Lagerfeuer empfehle ich die Brückentechnik: Zwei Holzscheite mit etwa zehn Zentimeter Abstand nebeneinanderlegen. Dazwischen Zeitungspapier oder sehr trockene Rinde stecken. Darüber, wie eine Brücke, reichlich leichte Zweige als Anfeuerholz legen – dadurch bekommen sie viel Luft von unten. Fangen schließlich die Scheite ganz unten Feuer, werden sie sich gegenseitig die Rauchgase entziehen – und die Flammen weiter nähren.

Leider ist er inzwischen verstorben. Er hat damals noch einen Frühling lang sein Holz wie immer sauber aufgestapelt. Doch man konnte ihm ansehen, dass er besorgt war. Er hat wohl geahnt, dass sein Brennholz ihn überleben würde, dass er es eigentlich für seine Witwe aufstapelte. Ein paar Wochen später holte ihn ein Krankenwagen ab, danach sah ich ihn nie wieder. Doch das Holz in seinem Schuppen hat seine Frau und Kinder noch lange gewärmt.

Lars Mytting; Der Mann und das Holz; Vom Fällen, Hacken und Feuermachen

Text: Reinhard Keck | Fotos: Verena Berg