Lars und das Holz
Zwei Meter groß, kantiges Gesicht, graublondes Haar. Das ist Lars Mytting, Autor des Sachbuchs “Der Mann und das Holz“, ein Überraschungs-Bestseller und eine flammende Liebeserklärung an das Kaminfeuer. Im Interview verrät er, worin die Faszination am Holzmachen liegt und wie Frauen gute Ehemänner an deren Holzstapel erkennen.
MACHER: Lars, Du gehst regelmäßig in den Wald, um Brennholz zu machen. Warum tust Du das?
Lars Mytting: Ganz einfach: Ich brauche Brennholz, damit meine Familie im Winter nicht frieren muss.
Eine Heizung habt ihr nicht?
Benutzen wir kaum. Ein Heizkörper wärmt nur die Luft im Zimmer. Ein Holzfeuer ist lebendige Wärme.
Klar, Kaminfeuer mag jeder. Aber stört es Dich nicht, dass dafür Bäume sterben müssen?
Holzfeuerung gilt heute als grüne Energiequelle. Bäume binden zwar klimaschädliches Kohlendioxid, aber das CO2 muss irgendwann wieder entweichen. Ob wir den Baum irgendwann natürlich verrotten lassen oder im Ofen verbrennen, macht keinen Unterschied – die CO2-Emission ist gleich hoch. Aber natürlich müssen sich Verbrauch und Nachwachsen des Rohstoffs Holz die Waage halten.
Woher hast Du das Können und Wissen eines Profi-Waldarbeiters?
Das kam durch die Arbeit an meinem Buch Der Mann und das Holz. Ich bin losgezogen und habe mit Holzfällern, Forstwirten und Wissenschaftlern gesprochen. Mir von ihnen Tipps geben lassen. Und irgendwann alles selber gemacht.
Wie bist Du überhaupt darauf gekommen, ein Buch über die Bedeutung des Holzmachens zu schreiben?
Das war, als mein Nachbar Ottar schwer krank wurde. Obwohl er sehr geschwächt war, stapelte er mit rasselndem Atem im Frühling die Scheite. Die Arbeit strengte ihn erst an, dann gab sie ihm aber Energie und Kraft zurück. Jeden Tag sah er ein wenig besser aus. Und ich erkannte: Mit Holz zu arbeiten tut Menschen einfach gut.
Viele Männer sind vom Holzhacken fasziniert. Hast Du eine Erklärung dafür?
Gegenfrage: Hast Du Kinder?
Ja, eine kleine Tochter.
Ich habe zwei Töchter, und Kinder könnten eine Erklärung sein: Männer interessieren sich meist zwischen 30 und 40 Jahren fürs Holzhacken – in einem Alter, in dem sie Familien gründen und Versorgen eine Rolle spielt. Ihr Interesse nimmt nicht ab, bevor sie die 70 erreicht haben. Das hat eine Studie von schwedischen Agrarwissenschaftlern gezeigt. Am höchsten ist das Interesse am Holzmachen übrigens im Renteneintrittsalter: Rentner haben Zeit und brauchen eine sinnvolle Aufgabe.
Holzhacken soll entspannend sein, eine Art Yoga mit Axt. Warum?
Beim Holzhacken unterscheiden wir uns nicht vom Urmenschen. Wir lassen rohe Kräfte walten. Ist ein Klotz gespalten, ist er gespalten. Man kann nichts rückgängig oder besser machen. Diese Art Seelenfrieden erlebt man im Berufsalltag kaum. Ein Bekannter hat es auf den Punkt gebracht. Er sagte: Oft grüble ich nach Feierabend über den Tag im Büro, was ich in diesem oder jenem Meeting hätte sagen sollen. Nur beim Holzhacken ist mein Kopf so angenehm leer.
Da ist aber nur vom Hacken die Rede, nicht vom Stapeln. Das ist eher mühsam, oder?
Hier sind eher Ausdauer und Verstand gefragt. Jeder Stapel sagt einiges über das Wesen seines Erbauers aus. Im amerikanischen Bundesstaat Maine war es im 19. Jahrhundert sogar üblich, dass junge Frauen potentielle Ehemänner anhand ihrer Holzstapel auswählten.
Vor welchen Holzstaplern sollten sich unsere Töchter also in Acht nehmen?
Laut einem Zeitungsartikel von damals sind gute Ehemänner jene, die solide und gewissenhaft auftürmen. Vorsicht aber vor denen mit unnatürlich hohen Stapeln: Die gelten als überambitioniert, Einsturzgefahr nehmen sie in allen Lebenslagen in Kauf. Wer grobe Scheite stapelt, soll auch nicht besser sein: Er will alles auf einmal, ist waghalsig. Als am schlimmsten gelten die Typen mit den halbfertigen Stapeln: unstet, faul, versoffen oder alles zugleich.
Kommen wir zum Feuermachen. Dein Geheimtipp fürs Anfeuern?
Für ein Kamin- oder Lagerfeuer empfehle ich die Brückentechnik: Zwei Holzscheite mit etwa zehn Zentimeter Abstand nebeneinanderlegen. Dazwischen Zeitungspapier oder sehr trockene Rinde stecken. Darüber, wie eine Brücke, reichlich leichte Zweige als Anfeuerholz legen – dadurch bekommen sie viel Luft von unten. Fangen schließlich die Scheite ganz unten Feuer, werden sie sich gegenseitig die Rauchgase entziehen – und die Flammen weiter nähren.
Sitzt Dein Nachbar Ottar jetzt auch vor einem schönen Kaminfeuer?
Leider ist er inzwischen verstorben. Er hat damals noch einen Frühling lang sein Holz wie immer sauber aufgestapelt. Doch man konnte ihm ansehen, dass er besorgt war. Er hat wohl geahnt, dass sein Brennholz ihn überleben würde, dass er es eigentlich für seine Witwe aufstapelte. Ein paar Wochen später holte ihn ein Krankenwagen ab, danach sah ich ihn nie wieder. Doch das Holz in seinem Schuppen hat seine Frau und Kinder noch lange gewärmt.
Text: Reinhard Keck | Fotos: Verena Berg
Zu Autor und Buch
Lars Mytting lebt mit seiner Frau und seinen Töchtern in Elverum, einer Kleinstadt im Südosten Norwegens. 2014 erschien sein Sachbuch Der Mann und das Holz. Vom Fällen, Hacken und Feuermachen, ein Ratgeber für Waldarbeiter, eine Kulturgeschichte der Forstwirtschaft, eine Ode an das Kaminfeuer – und ein Überraschungsbestseller im Sachbuchbereich. Zuletzt hat Lars den Roman Die Birken wissen’s noch veröffentlicht. Auch darin geht es natürlich um Holz … Weitere Infos hier.