Søren Engel

Søren liest Holz, wie andere Menschen Bücher. Die „Buchstaben“ ergeben sich aus der Wuchsrichtung und der Maserung des Holzes. Wenn er ein neues Stück Holz bekommt, liest er sie mit seinen Sinnen: Er betrachtet es, riecht und hört daran, streicht darüber. Manchmal schließt er seine Augen, legt seine Hand darauf und spürt einfach nur. Und findet so heraus, für welches Projekt es sich eignet, welche Geschichte es ihm erzählen will. Um nicht gegen seine Strukturen, sondern mit ihnen herauszuarbeiten, was bereits darin angelegt ist.

Macher Stories LE Holz (1)

Dann geht Søren in die Tiefe, löst – falls vorhanden – vorsichtig einen Teil der Rinde oder schneidet das Holz leicht ein. Prüft, wie das Material unter der Oberfläche aussieht, wie hart oder weich es ist, welche Färbung es hat. Auch ob sich beispielsweise Schwämme darunter befinden. Was für andere ein Grund wäre, das Holz zu entsorgen, ist für ihn ein Glücksfall: Die Pilze verändern Struktur, Festigkeit und Farbe und machen die Arbeit damit für ihn noch spannender.

Macher Stories LE Holz 3

Weil Søren will, dass das Holz sich auch nach der Bearbeitung durch ihn weiterentwickelt, verzichtet er weitestgehend auf Öle, Wachse oder Lacke. So reagiert es beispielsweise mit der Säure im Regen, Moose können sich ansetzen oder Insekten einnisten. So bleibt das Holz in ständiger Veränderung. Am Leben.

Søren braucht etliche Stunden, um aus einem großen Stamm die grobe Form mit Kettensäge und Axt herauszuarbeiten, um alles Überflüssige zu entfernen. Dagegen benötigt er nur wenige Stunden für die feinen Details mit Feile und Schleifpapier. Dieser Kontrast – zwischen langwieriger mühevoller Arbeit für ein grobes, unfertiges Ergebnis und leichter, kurzer Arbeit für das feine, perfekte Endergebnis – fasziniert ihn immer wieder.

Macher Stories LE Holz 4

Text: Benjamin Kuschnik | Regie: Benjamin Kuschnik | Kamera: Simon Hollmann/Jendrik Hillebrecht