Mission Kugelmühle
Flügel, Läuferblock und Wasserkraft: Stefan Metzler ist Kugelmüller. Die Mühle dafür: eigenhändig gebaut.
„Ein bisschen komplex“, sagt Stefan immer wieder, wenn er das Projekt seines Lebens beschreibt. Gebäude, Mühlrad, Mahlwerk, Steinauswahl, Rohlingherstellung, Poliermaschine: „Ich musste fast alles selbst ausdenken, entwerfen, planen, herstellen, ändern und optimieren.“ Er lächelt: „Ist ja auch nicht verwunderlich: Etwas Einzigartiges kann man nicht von der Stange kaufen. Und Kugelmühlen hat niemand im Angebot.“
Stefan Metzler
„Ein bisschen komplex“ ist eigentlich alles. In den am Untergrund im Bach fixierten Mühlstein, einen besonders harten Sandstein, hat Stefan Rillen gefräst. Darin rotieren die Steinrohlinge und werden zu ihrer runden Form gemahlen. Das „Mahlgut“, die Steine, müssen natürlich erst einmal gewonnen werden. Acht Steinbrüche im Umkreis von 80 Kilometern fährt der Herr der Murmeln ab, um Riff-, Lagunen- und Muschelkalk zu gewinnen, kristallinen Kalk – auch als Marmor bekannt. Aus den 15- bis 20-Kilo-Brocken bohrt er mit eigens umgebauten Säulenbohrmaschinen 20 Zentimeter lange Bohrkerne. Als Ingenieur hat Stefan eigene Verfahren entwickelt und Maschinen modifiziert: „Andere Kugelmüller zersägen Marmorblöcke und bearbeiten dann teils mit dem Stockhammer die entstandenen Würfel, bis sie ungefähr die richtige Form haben. Es geht natürlich auch professioneller“, sagt er und lächelt verschmitzt. Er bohrt die Bohrkerne in mehreren Schritten aus verschiedenen Raumrichtungen und bringt sie so in Form. Mit einem Bohrschleifer schleift er dann die acht „Hörnchen“ ab, die an dem kugelförmigen Etwas noch hervorstehen.
„Je gleichförmiger Größe und Form der Rohlinge, desto rollfähiger sind sie, desto flotter geht das Mahlen“, erklärt Stefan. Klar, wären die Rohlinge unterschiedlicher Größe, würde zuerst der größte abgeschliffen, bis er die Größe des zweitgrößten hätte. Diese beiden dann, bis sie die Größe des nächstkleineren Steins hätten. Und so fort, bis alle dieselbe Größe hätten und gleichzeitig in den Rillen des Mahlsteins geschliffen würden. „Das dauert länger und ist nicht effizient“, rümpft Stefan die Nase.
Stefan Metzler
Wenn Stefan Metzler seine Marmorbrocken an der Straße entlangschleppt oder mit einem Plastikeimer voll frisch gemahlener Kugeln aus dem Dorfbach klettert, grüßen ihn die Nachbarn, Mountainbiker oder Touristen, winken oder recken den Daumen nach oben. „Mein Produkt ist beglückend“, sagt Stefan, „es entspannt. Es entstört. Es bringt den Menschen dazu, sich zu fokussieren.“ Er erzählt, wie Besucher immer wieder nur gedankenverloren im Raum der Manufaktur stehen und die Steinkugeln einfach in der Hand halten, ihre Form fühlen, ihr Gewicht, die Glattheit. Und betont: „Ich schaue die Menschen an und freue mich darüber, dass ich dazu beitragen kann, dass es ihnen gut geht.“
Seit Jahrhunderten gelten Murmeln nicht nur als Spielzeug oder Deko-Artikel, sondern auch als Talisman, Glücksbringer oder Träger von Energie. „Manchmal stelle ich mir vor, was ich da eigentlich halte“, sagt Stefan, „250 Millionen Jahre Erdgeschichte, gepresst in eine kleine Kugel.“ Er berührt sanft die Oberfläche einer kaffeefarbenen Murmel, streichelt mit den Fingern darüber: „Letztlich hat man die Ewigkeit in der Hand.“
Text: Stefan Wagner I Fotos: Frank Bauer