Nils Holger Moormann: Ideal ist, wenn man auf beides zugreifen kann. Ich bin handwerklich recht unbegabt, habe mir aber das Glück erarbeitet, dass einige meiner Mitarbeiter mir die Hände ersetzen. Und etwas mit den Händen zu erleben hilft, eine Idee besser zu begreifen, oder es ist sogar die Initialzündung für etwas unerwartetes Neues.

Ein Porträt vom Designer Nils Holger Moormann am Schreibtisch;

Privat sollte man spielerisch mit Ideen umgehen. Da kann ein Einfall offensichtlicher Mist sein, aber er bedeutet dir persönlich etwas. Da ist jede Idee gut – für die Seele. Sie muss ja nicht einmal funktionieren. Wir leben heute in einer Ja-aber-Zeit – das tötet sofort. Ideen sind wie scheue Rehe, da muss man sich vorsichtig ranpirschen.

Manchmal. Oder mit breiter Brust voraus. Ich wollte einmal unbedingt einen Tisch bauen, der irgendwie an Bergsteigerseilen hängt. Dass aber ein elastisches Seil, wie es ein Bergsteigerseil zwangsläufig sein muss, nicht geeignet ist, einen Tisch zu halten, erkannte ich erst nach etlichen Versuchen. Am Ende nahm ich Segeltaue. Ideen haben im Möbelbereich immer viel mit Erfinden zu tun. Da geht es darum, einen Lösungsweg für ein Problem zu kreieren, der für den Käufer am Ende nicht einmal unbedingt sichtbar sein muss.

Ein Porträt vom Designer Nils Holger Moormann;

Nils Holger Moormann

In der Natur. Sie hat mir den klaren Blick eröffnet, auf Holz zum Beispiel. Das Material spricht alle Sinne an. Man kann es fühlen, riechen, sehen und, wenn man will, auch schmecken. Ich liebe Holz, weil es gut mit den Menschen altert. Das sollte man sich bei einer guten Idee auch immer fragen: Wie altert sie?

In der Regel schon. Ich bin ja der Meinung, dass die beste Idee der Menschheit der Bleistift war und ist. Ich hab immer einen bei mir. Und einen kleinen Block, da kritzele ich alles rein, was mir durch den Kopf geistert.

Ein großes Büro für mehrere Personen mit Schränken voll mit Aktenordnern;

„Rechnet sich das eigentlich?“ Das fragen die Menschen oft. Dabei sollte man Ideen einfach mal durchziehen, auch wenn sie sich nicht rechnen. Solche Dinge verleihen uns Charakter, zeigen unsere Haltung. Und das Schöne ist doch: Menschen kaufen auch gerne unvernünftiges Zeug. Wir haben hier schon Dinge erdacht, an die kein Betriebswirt geglaubt hätte, und doch verkauften sie sich unfassbar gut.

Unser Lesesessel mit dem Schubkarrenreifen. Mir ist der ja fast peinlich, sieht doch irgendwie krank aus, das Ding. Der war nie als Produkt für den Verkauf geplant. Das war eine Spielerei von mir. So konnte ich mich, wenn es vor dem Kamin zu heiß oder kalt wurde, vor- oder zurückrollen, ohne viel Aufwand. Wir haben ihn nach Mailand zur Messe als Sitzgelegenheit mitgenommen. Am Ende war es unser Verkaufsknaller. Die Kalkulation haben wir dann direkt vor Ort gemacht.

Eine Wand voller Aufnahmen im Haus und ein Portrait vom Designer Nils Holger Moormann;

Sehr oft sogar. Man arbeitet sich ja gerne mal erfolglos an einem Gedanken ab, und dann kann das Scheitern fantastisch sein, weil es dich voranbringt. Es schmerzt, macht dich wütend, und ganz nebenbei schrammst du an einer völlig neuen Idee vorbei. Man muss neugierig bleiben, viel ausprobieren und immer damit rechnen, dass nicht alles so perfekt funktioniert wie geplant.

Absolut. Ich bin ein großer Fan von Kindlichkeit. Da liegt ganz viel Kreatives drin. Die Dinge wie ein Kind zu betrachten lässt Ideen gedeihen.

Interview: Tim Gutke | Fotos: Benjamin Antony Monn