Wissensdurst und Tatendrang
Michael Hecken baut sich die Welt, wie sie ihm gefällt. Und eignet sich das nötige Wissen dafür einfach selbst an. Der Dreh- und Angelpunkt seines Schaffens: eine alte sanierte Wehrmühle in der Nähe von Berlin. Ein Interview mit einem Autodidakten.
Möglich. Ich wollte einfach immer das Besondere. Das ist bis heute so geblieben: Ich sehe ein Design, das mir gefällt, und will es haben. Und weil das oft Dinge sind, die sich kein Mensch leisten kann, überlege ich mir, was technisch und optisch dahintersteckt, recherchiere, was ich dafür alles brauche, und probiere es aus.
Leider habe ich nach der Schule den Fehler gemacht, BWL zu studieren (lacht). Das war kein Wunschstudium, eher eine Mischung aus Vernunfts- und Zufallsentscheidung. Immerhin habe ich gelernt, unternehmerisch zu denken. Mein wirkliches Interesse ist, Produkte zu entwickeln – entweder für mich selbst oder als Geschäftsidee. So kam ich schließlich dazu, das erste E-Bike „Grace“ zu designen, gut aussehend und mit integriertem Akku. Eigentlich war es immer mein Traum, Industriedesigner zu werden. Aber damals haperte es bei mir, das dachte ich zumindest, am Zeichnen, eine der Grundvoraussetzungen. Heute gäbe es das Problem nicht mehr, geht ja alles digital, und ich bin sehr fit im Umgang mit 3-D-Programmen.
Michael Hecken
Ich war auf der Suche nach einem Ort, an dem ich neu anfangen und mich frei entfalten konnte. Das war 2003. Ich lebte damals in London, spielte aber mit dem Gedanken, nach Berlin zu ziehen. Als ich übers Wochenende dort war, wollte ich mir im Oderbruch die zugefrorene Oder angucken. Auf dem Rückweg kam ich zufällig an Biesenthal vorbei und entdeckte dort diese alte Wehrmühle. Im Grunde eine gigantische, völlig verwahrloste Ruine mitten in der Natur auf einem 10.000 Quadratmeter großen Gelände – eine einzige Müllkippe, da lagen Kühlschränke und Asbestplatten. Die Mühle an sich war komplett durch ein Feuer zerstört, das Dach des Hauses völlig abgebrannt. Viele hätte der Anblick wohl abgeschreckt.
Zuerst: Man muss richtig scharf auf die Umsetzung sein. Denn einfach wird es fast nie, und da braucht man Durchhaltevermögen. Und das kommt und bleibt mit dem richtige Maß an Leidenschaft. Jungen Kreativen, die sofort eine Geschäftsidee für ein Start-up im Hinterkopf haben, sage ich: „Baut das supercoole Produkt doch erst mal für euch, macht das richtig gut, bis es perfekt ist.“ Hierzulande mit etwas an den Markt zu gehen ist unheimlich schwierig, das würde ich so lange hintanstellen, bis ich als Erfinder voll und ganz überzeugt bin und das Produkt selbst auf Herz und Nieren geprüft habe.
Dass sie Spaß an der Sache haben! Und dass sie die Nachhaltigkeit im Blick haben. Das wünsche ich mir gerade von großen Entscheidern in Deutschland, die unser Leben gestalten. Ob das für Häuser, Möbel, Autos oder andere Alltagsgegenstände gilt. Selbst gebaute Dinge sind ja von Natur aus meistens nachhaltig, langlebig und gut zu reparieren. Das ist mir auch bei meinen Produkten und Projekten wichtig: dass sie kein Verfallsdatum haben. Da stecken Liebe und Mühe drin. Ich mag keine Plastik-, keine Wegwerfware. Ich wünsche mir mehr Schönheit, das ist es auch, was ich unter Design verstehe: gute Formen, schlicht, nachhaltig, für die Ewigkeit gedacht und gebaut.
Text: Friederike Schön | Fotos: Michael Hecken, Nikolaus Karlinský