Im April 2017 hat es auch mich erwischt. Völlig unvermittelt. Ich war ein paar Tage nicht daheim gewesen und mochte bei der Rückkehr meinen Augen kaum trauen. Die hübsche kleine Buchsbaumhecke, die meinen Vorgarten ziert und zur Straße hin begrenzt, war brutal zerfressen. Der Schaden schon von Weitem gut sichtbar. Als ich davorstand und mit der Hand zwischen Blätter und Zweige griff, breitete sich vor mir das große Krabbeln aus. Weit über 200 grüne Raupen dürften sich damals in meiner gut fünf Meter langen Hecke getummelt haben.
Der Buchsbaumzünsler ist ein kleiner ostasiatischer Schmetterling, der erst vor wenigen Jahren nach Mitteleuropa eingeschleppt wurde und sich mangels natürlicher Fraßfeinde auch in Deutschland rasant ausbreitet. Die Gärten im Süden und im Westen hat er schon erobert, im Norden und Osten hat man ihn bislang nur vereinzelt gesichtet. Der Schmetterling selbst ist harmlos, doch die Raupen, die aus seinen Eiern schlüpfen, sind sehr gefräßig. Nicht nur die Blätter werden von ihnen komplett verspeist, auch die Rinde wird angeknabbert.
Zu spät entdeckt, ist oft die gesamte Pflanze nicht mehr zu retten. Sie stirbt ab und dem Hobbygärtner bleibt nur die Entsorgung. Auch in meiner Straße hatte Raupe Nimmersatt in den Vorjahren bereits gewütet. Als ich das Haus samt Garten vor wenigen Jahren kaufte, erbte ich damit auch eine kleine Chemikaliensammlung im Geräteschuppen. Der Vorbesitzer hatte mich netterweise auf das Problem mit dem Zünsler hingewiesen und bei Gesprächen am Gartenzaun klagten mir so ziemlich alle Nachbarn ihr Leid. Und dennoch: 2016 blieb alles ruhig. Null problemo in meinem Garten.
Ich erinnerte mich natürlich an das Mittel, das mir der Vorbesitzer ans Herz gelegt hatte und schaute im Schuppen auf das handbeschriebene Etikett an der Sprühflasche. Von wegen „nicht bienengefährlich“ „Calypso“ stand dort.
Umweltverbände wie der BUND hatten immer wieder auf den Wirkstoff Thiacloprid hingewiesen. Der gehört zur Gruppe der Neonicotinoide, denen eine Gefährdung diverser Insekten – vor allem der Bienen – nachgesagt wird. Im März 2015 hatte das Landgericht Düsseldorf entschieden, der BUND dürfe weiterhin behaupten, dass zwei von Bayer hergestellte Produkte (u.a. „Calypso“) für Bienen gefährlich seien und es sich bei dem darauf abgebildeten Logo mit dem Aufdruck „nicht bienengefährlich“ um eine Irreführung von Verbrauchern handele. Ende des Jahres gab der Konzern schließlich die Einstellung der Calypso-Produktion bekannt.
Für mich war nach dieser kurzen Lektüre klar, dass ich mir eine Alternative suchen muss. In punkto Gift im Garten bin ich ein gebranntes Kind. Das kam so: An meiner alten Schule dürfen sich seit jeher alle Abiturienten einen Baum aussuchen. Ich wählte damals einen klassischen Feld-Ahorn, den ich auch im großen Garten meines Elternhauses einpflanzen durfte. Und obwohl ich mich geradezu liebevoll um meinen Baum kümmerte, zeigte er bereits nach einem halben Jahr erste Anzeichen von Todessehnsucht, konnte die Blätter kaum halten und verkümmerte zusehends.
Als schließlich ein Seitentrieb komplett abstarb, erinnerte sich meine Mutter glücklicherweise an ein lang zurück liegendes Ereignis: „Das ist genau die Stelle, an der Oma vor zehn Jahren mal Gift gegen das hartnäckige Franzosenkraut gespritzt hatte. Da ist noch nie etwas gut gewachsen.“ Ich habe den Baum also wieder ausgebuddelt und an anderer Stelle neu eingepflanzt. Eine goldrichtige Entscheidung. Heute ist der Ahorn gut zwölf Meter hoch und trägt eine prächtige Krone.
Mehr als zwanzig Jahre sind seit dieser kleinen Episode vergangen. Mit den Jahren hat sich auch die Einstellung vieler Verbraucher geändert. Sie schauen jetzt genauer hin, welcher Wirkstoff in ihren Pflanzenschutzmitteln enthalten ist. Sie informieren sich vor dem Kauf online über die enthaltenen Wirkstoffe und mögliche Nebenwirkungen, lesen im Markt nochmal genau die Verpackungsangaben und konfrontieren den Verkäufer schon mal mit kritischen Nachfragen. Die Devise „Viel hilft viel“ rückt weiter in den Hintergrund und Hardcore-Spritzmittel mit Breitband-Wirkung landen immer seltener im Einkaufswagen.
Bei HORNBACH hat man diese Entwicklung aufmerksam verfolgt und auch die Diskussion um Glyphosat und Bienenschutz aktiv begleitet. Zusammen mit den Lieferanten hat der HORNBACH Einkauf 2015 an einer Neuausrichtung des Pflanzenschutzsortiments gefeilt und diese im darauf folgenden Frühjahr auf den Weg gebracht.
Sechs Wochen nach der Neuausrichtung stehe auch ich mit meinem Zünsler-Problem im HORNBACH Markt, um mich über Alternativen zu „Calypso“ zu informieren. „Dem Mittel trauern viele Kunden nach“, erklärt mir die Kollegin an der Service-Theke in der Gartenabteilung. Immer wieder kämen emotional aufgelöste Kunden zu ihr, die angesichts des Kahlfraßes in ihren sündhaft teuren Buchs-Formschnitten geradezu panisch nach heftigen Mitteln verlangten, die dem Zünsler möglichst schnell den Garaus machen. Denen empfehle sie dann den „Calypso“-Nachfolger aus dem Hause Bayer: Lizetan. Das neue Mittel basiert auf dem chemischen Wirkstoff Azadirachtin, der als „nicht bienengefählich“ eingestuft wurde.
Gleichwohl: Bei der Anwendung an Gemüse- und Obstpflanzen sollen vor einem Verzehr mehrtägige Wartezeiten eingehalten werden. Ich lasse mir noch einige Alternativen zeigen, unter anderem die Zünsler-Fallen, die den Schmetterling einfangen und daran hindern, seine Eier abzulegen. Doch dafür ist es in meinem Fall schon zu spät, die Raupen sind ja bereits aktiv.
Ich entscheide mich schließlich für „Raupenfrei XenTari“ von Neudorf. Ein biologisches Spritzpulver, das Nützlinge schont und auch für den ökologischen Landbau zugelassen ist. Klingt sanft und harmlos, ist aber nach Auskunft der Kollegin dennoch mit Vorsicht zu handhaben aufgrund möglicher Allergien und Augenreizungen. Heißt konkret: Handschuhe, Schutzbrille und Atemmaske sollte man bei der Anwendung besser tragen.
Somit gleicht meine ökologische Pflanzenschutzmaßnahme am Nachmittag optisch doch eher einem gesundheitsgefährlichen Chemie-Experiment. Nicht nur die Kleinfamilie, die kürzlich schräg gegenüber eingezogen ist, beobachtet mich mit skeptischen Blicken. Der Geruch des Spritzmittels ist übrigens auch nichts für feine Näschen, changiert irgendwo zwischen Komposthaufen und Rinderdung.
Und das Beste: In den folgenden Wochen, nach einer weiteren Spritze und einem sanften Formschnitt, erholen sich die Buchsbäume zusehends. Wo zuvor noch deutliche Fraßschäden sichtbar waren, sprießen nun wieder grüne Blätter. Motiviert vom Erfolg habe ich in diesem Jahr gleich Anfang April, als die Temperaturen über 7 Grad kletterten und in der Hecke die ersten Zünsler-Nester auftauchten, zur Sprühflasche gegriffen. Zwei Wochen später gab es einen zweiten Durchgang.
Und siehe da: Keine einzige Raupe krabbelt in meiner Hecke, die nun satt-grün in die Höhe schießt. „Dranbleiben“, raunt mir der für den Pflanzeneinkauf zuständige HORNBACH Einkäufer zu, als ich ihm begeistert von meinem Erfolg berichte. „Wahrscheinlich braucht es noch einen dritten und vierten Spritzgang dieses Jahr.“ Das sind für mich jeweils 30 Minuten Arbeitseinsatz und Gesamtkosten von gut zehn Euro für das Spritzmittel. Absolut vertretbar angesichts des Ergebnisses, frohlocke ich.
Nur mein Nachbar ist gerade stinksauer. Der Zünsler hat in seinem Garten gleich vier große Buchsbaumkugeln zerfressen. „Normalerweise warnt man sich in der Nachbarschaft doch gegenseitig vor dem Biest“, klagt er. Ich wähne mich derweil frei von jeder Schuld, schließlich bin ich mit Maske, Brille und Handschuhen bei meinem Einsatz für den Pflanzenschutz doch nun wirklich nicht zu übersehen…
Erfahrungsbericht von Florian Preuß