Kurz vor acht im HORNBACH Markt Oberhausen. Eigentlich wäre gleich Feierabend, aber heute geht es jetzt erst richtig los. Einkaufswagen mit Snacks und Sektflaschen rollen in Richtung Gartenabteilung, wo bereits die Biertischgarnituren aufgebaut sind. An den Projektstationen legen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Marktes Werkzeuge und Materialien bereit und der DJ macht noch einen kurzen Soundcheck.
Statt im Kino oder auf der Tanzfläche verbringen sie ihren Freitagabend heute im Baumarkt – mit Bohren und Dübeln, Fliesen verlegen oder Holzverarbeitung. Die Stimmung ist super, trotz der Aussicht auf drei Stunden Dreck, Schweiß und Lärm. Oder vielleicht gerade deswegen?
Ich fühle mich fehl am Platz, denn Heimwerken ist so gar nicht mein Ding. Bisher bin ich in meinem Leben sehr gut ohne Bohrer, Akkuschrauber und Stichsäge ausgekommen. Heimwerker – das sind für mich Männer mit Bauchansatz jenseits der 50. So wie die Typen in den HORNBACH Werbeclips, die unter Schweiß und Tränen den Hammer schwingen oder auch mal nackt einen Berg runterrutschen. Nicht gerade sexy. Die Frauen, die heute ungeduldig auf Einlass warten, scheinen das anders zu sehen. Wahrscheinlich sind einige von ihnen bereits Stammkunden – schließlich ist statistisch gesehen mittlerweile fast die Hälfte aller Baumarkt-Besucher Frauen.
Kurz nachdem der letzte Kunde die Kassenzone passiert hat, öffnen sich erneut die Türen. Die Sektkorken ploppen, die Musik wird lauter und der Stimmungspegel steigt. Fest entschlossen, dem Ganzen eine Chance zu geben, schnappe ich mir ein Glas Sekt und quetsche mich zu den anderen auf die bereitgestellten Bierbänke. Mir gegenüber sitzt Martina, die schon letztes Jahr in Gelsenkirchen dabei war und diesmal ihre Freundin mitgebracht hat. „Mensch, sowas sollten wir bei uns in der KFZ-Werkstatt auch mal machen“, meint sie. „Wir könnten zeigen, wie man Zündkerzen tauscht oder einen Ölwechsel macht – das würde bei unseren Kundinnen bestimmt gut ankommen“.
Marktmanager Thomas Schäfer greift zum Mikrofon und heißt alle herzlich willkommen. „Ein paar Gesichter habe ich am Eingang schon wiedererkannt“, schmunzelt er. Tatsächlich sind viele der Frauen Wiederholungstäterinnen – manche kommen nur zum Spaß, wie Martina und Sylvia, andere wollen ein ganzes Haus renovieren. Die Regeln für heute Abend sind schnell erklärt: Jede absolviert die Workshops, wie sie auf den Anmeldezetteln vermerkt sind, im Baumarkt duzt man sich und die Toiletten sind beim Eingang links.
Und schon geht es los: Ich habe mich für „Holz verarbeiten – schleifen, sägen, bohren“ entschieden. Ziel ist es, innerhalb von einer Stunde einen „Ritterstuhl“ aus zwei ineinandergesteckten Brettern zu bauen. Glücklicherweise sind die nötigen Schnitte auf den Brettern schon vorgezeichnet, ausreichend Stichsägen liegen bereit. In kurzer Zeit sind alle konzentriert bei der Arbeit und der Drive-In füllt sich mit feinem Holzstaub.
Auch ich greife beherzt zur Säge und versuche, den Markierungen möglichst genau zu folgen, damit die beiden Stuhlteile hinterher auch ineinander passen. Natürlich sind bei mir Nacharbeiten nötig. Die ersten Frauen machen es sich unterdessen schon mit einem heißen Kakao auf ihren selbstgebauten Stühlen bequem.
Pünktlich zur Pause bin auch ich fertig und begebe mich stolz und holzbestaubt mit dem Stuhl unterm Arm zurück zum Sammelpunkt vor der Bühne. Es gibt Pizza, Brezeln und Käsestangen zur Stärkung. Wer Glück hat, gewinnt bei der Tombola ein neues Gerät für die Werkstatt – oder den Wandkalender „Dream Boys“. Ganz ohne Klischees geht es anscheinend nicht.
Nach der Pause mache ich weiter mit „Bohren und Dübeln“. Das kann man immer gebrauchen. Auch hier geht es nach kurzer Erklärung gleich zur Sache: Ran an die Bohrmaschine und rein in den Betonstein. „Das ist das Härteste, was euch in der Wand begegnen kann“, erklärt unser Workshopleiter: „Keine Angst, der Bohrer hält das schon aus.“ Während einige Teilnehmerinnen sich sofort ans Werk machen, sind andere noch etwas zögerlich: „Müssen wir wirklich alle?“ „Ja, alle – dazu seid ihr hier“, lautet die klare Ansage. In der Gipskartonplatte nebendran üben wir den Umgang mit Hohlraumdübeln. Eine großartige Erfindung, von deren Existenz ich bis vor Kurzem nichts geahnt hatte. Vielleicht ist es doch nicht so schwer, Dinge an meiner Bröselwand zu befestigen.
Inzwischen ist es kurz nach 23 Uhr und eigentlich Zeit zu gehen. Ein paar Regalreihen weiter im Workshop „Oberflächen kreativ gestalten“ herrscht jedoch noch reger Betrieb. Ich treffe wieder auf Martina und Sylvia, die ihren Holzkisten im Vintage-Look noch den letzten Schliff geben. Begeistert präsentieren sie die Ergebnisse der letzten Stunden Arbeit.
Ich schnappe mir meinen Ritterstuhl und mache mich schließlich zusammen mit den anderen Teilnehmerinnen auf dem Heimweg, während die Marktmitarbeiter mit den Aufräumarbeiten beginnen. Bis morgen um 7 Uhr müssen die Spuren unserer Heimwerkerparty beseitigt sein. Dann geht es mit dem normalen Betrieb weiter. Und vielleicht kommt ja auch die eine oder andere Teilnehmerin nochmal vorbei. Ich jedenfalls werde am Wochenende endlich die Lampen in meiner neuen Wohnung anbringen.
Erfahrungsbericht von Anne Spies